Eule-Podcast: #49: Macht in der (digitalen) Kirche (mit Theresa Brückner)
Podcast-Diskussion über Macht und Ohnmacht in der digitalen evangelischen Kirche.
Eule-Podcast
56 min read2696 min audioDer Eule-Podcast mit Philipp Greifenstein und Pfarrerin Theresa Brückner diskutiert Machtverhältnisse in der evangelischen Kirche, besonders im digitalen Raum. Brückner, bezahlte „Internetpfarrerin“ mit 23.000 Instagram-Follower:innen, erklärt, wie sich ihre Reichweite in informelle Macht umwandelt: durch Followerzahl, Netzwerk und institutionelle Verankerung. Sie berichtet von Absprachen mit Pressestellen, Algorithmus-Einschränkungen bei Themen wie sexualisierter Gewalt und dem Spagat zwischen Pfarramt und Influencer:in. Gemeinsam kritisieren die Gesprächspartner:innen, dass sich traditionelle Hierarchien online verstärken: Predigt:innen dominieren sichtbar, während andere Mitarbeitende kaum sichtbar werden. Die Kirche nutze Plattform-Logik, statt Macht abzubauen – etwa wenn Reichweite vor Inhalt geht oder Betroffene nur über Ansprechstellen verwiesen werden. Konkrete Gegenmaßnahmen: machtsensible Liturgie, Community statt Follower:innen-Zahlen und Betroffene lautstark hörbar machen.
### 1. Follower:innen als Machtfaktor
Brückner sagt, ihre Macht entstehe durch institutionalisierte Pfarrstelle, Reichweite und Netzwerk. "Die Macht kommt dann natürlich von der Followerzahl … dass das eine Auswirkung hat." Sie nutze diese Position, um Themen wie sexualisierte Gewalt sichtbar zu machen, obwohl sie dadurch Algorithmus-Nachteile in Kauf nehme.
### 2. Hierarchien verschieben sich, verschwinden nicht
„Im Digitalen sind diese Hierarchien einfach weg“, heißt es, doch neue entstehen: Pfarrer:innen gelten als autorisierte Stimme, während Ehrenamtliche oder andere Mitarbeitende weniger sichtbar sind. Die klassische Rolle bleibt laut Brückner erkennbar: „Ich bin da als Pfarrerin gelesen.“
### 3. Algorithmus versus Seelsorge-Auftrag
Beiträge zu sensiblen Themen würden vom Algorithmus gedrosselt. Brückner entscheidet sich trotzdem für Veröffentlichung: „Ich weiß, dass es … eine Form von Macht ist, dass ich dieses Thema ausspiele.“ Sie erlebt dies als Konflikt zwischen Reichweite und pastoraler Verantwortung.
### 4. Community statt Einweg-Kommunikation
Ein zentraler Wunsch ist echter Dialog. Viele Formate blieben bei Selbstinszenierung, Kommentare würden selten beantwortet. Brückner betont Community-Pflege: „Die Leute … unterstützen sich gegenseitig in den Kommentaren“ – ein Gegenentwurf zur klassischen Senderrolle der Kirche.
### 5. Institutionelle Kontrolle und Angst
Nach der Veröffentlichung der Forumstudie hätten Leitungen Kommunikationsbeschränkungen verhängt; nur offizielle Stellungnahmen seien erlaubt gewesen. Brückner kritisiert: „Ich kann doch nicht … einfach diese Stellen verlinken, was ist denn das für ein Umgang?“ Sie fordert mehr direkte Unterstützung für Betroffene.
### 6. Machtbewusstsein als Auftrag
Beide sehen Selbstverharmlosung („Ich habe keine Macht“) als Hauptproblem. Brückner zählt formale, informelle, kommunikative und finanzielle Macht auf. Konkreter Schritt zum Machtabbau: eigene Reichweite nutzen, um Betroffene sichtbar zu machen und Leitungsstrukturen anzufordern.
## Einordnung
Der Podcast transportiert Selbstreflexion statt Selbstinszenierung: Greifenstein hakt kritisch nach, Brückner benennt eigene Privilegien. Trotzdem bleibt die Diskussion auf Pfarrer:innen-Perspektiven fixiert; Betroffene oder nicht-ordinierte Mitarbeitende kommen nicht selbst zu Wort. Die Folie „machtsensible Kirche“ bleibt Programm; konkrete Veränderungsmaßnahmen beschränken sich auf Einzelengagement. Die Sendung zeigt: Digitale Plattformen verstärken alte Machtstrukturen statt sie aufzubrechen. Wer evangeliale Kirche anders denken will, bekommt hier Material – aber kein Rezept.