11KM: der tagesschau-Podcast: Grill, Baby, Grill: Wie viel Fleisch verträgt Deutschland?
11KM zeigt, wie Emotionen und Populismus Klimafakten beim Thema Fleisch blockieren – mit einem Bundesminister, der die Wissenschaft leugnet.
11KM: der tagesschau-Podcast
31 min read1400 min audioDer 11KM-Podcast begleitet die NDR-Journalistin Oda Lambrecht auf ihrer Recherche über den deutschen Fleischkonsum. Die Moderatorin Elena Kuch führt durch das Format. Im Zentrum steht die Frage, warum die Deutschen trotz eindeutiger Klimafakten weiter deutlich über dem empfohlenen Limit von 300 g Fleisch pro Woche liegen.
### 1. Deutlich überzogener Fleischkonsum
Die Deutschen essen Lambrecht zufolge durchschnittlich über ein Kilo Fleisch und Wurst pro Woche – mehr als dreimal so viel wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Der gelerne Grilltrainer Oliver Suppa hält die 300-Gramm-Woche sogar für „ein schönes Steak“, was illustriert, wie weit Empfehlung und Alltag auseinanderliegen.
### 2. Klimaschäden durch Tierhaltung vielfältig
Landwirtschaft verursache etwa 8 % der deutschen Treibhausgasemissionen, erklärt der Klimaforscher Hermann Lotze-Campen. Besonders klimaschädlich seien Methan durch Wiederkäuer, Lachgas aus Gülle-Lagern und CO2 aus entwässerten Mooren, auf denen weiter Rinder weiden. Waldrodung für Soja-Anbau zur Tierfütterung verstärke den Effekt.
### 3. Politik ignoriert wissenschaftlichen Rat
Bundesagrarminister Cem Özdemir lehne höhere Steuern auf tierische Produkte strikt ab, obwohl sein eigener wissenschaftlicher Beirat sowie zahlreiche Studien eine differenzierte Mehrwertsteuer fordern. Lambrecht zitiert ihn mit den Worten: „Das hat mit Fleischkonsum meines Erachtens nichts zu tun“, was sie als Leugnung der wissenschaftlichen Erkenntnisse wertet.
### 4. Fleisch als Kulturkampf- und Populismus-Thema
Der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder zeigt, dass Fleisch heute nicht mehr nur Nahrung ist, sondern zum Symbol für Männlichkeit, Freiheit und Wohlstand avanciert. Rechte und populistische Parteien nutzten dies, um ein „Verbot“ zu konstruieren, das es so nie gegeben hat. Die Folge: eine emotional aufgeladene Debatte statt sachlicher Klimapolitik.
### 5. Gesellschaft trägt die Externalitäten
Die wahren Kosten – Klimaschäden, Gesundheitsbelastungen, Biodiversitätsverlust – seien in den niedrigen Preisen nicht enthalten, kritisiert Lotze-Campen. Die Folgekosten würden der Allgemeinheit aufgebürdet, während Verbraucher:innen günstige Schnäppchen genießen. Eine CO2-Abgabe auf Tierprodukte könnte diese Externalitäten internalisieren, ist aber in Deutschland nicht in Sicht.
## Einordnung
Die 30-minütige Reportage überzeugt durch klare Struktur und glaubwürdige Expert:innen. Lambrecht gelingt es, zwischen grillbegeisterten Fleischliebhabern, Wissenschaft und Politik zu vermitteln, ohne belehrend zu wirken. Besonders stark: die Dokumentation, wie ein Bundesminister wissenschaftliche Fakten ausblendet – ein beunruhigender Befund für eine Regierung, die Klimaschutz zur Chefsache erklärt hat. Kritisch anzumerken ist, dass pflanzenbasierte Perspektiven kaum zu Wort kommen; die Debatte bleibt auf Fleischreduktion statt Ernährungswende fokussiert. Dennoch liefert 11KM einen fundierten Einblick, wie Emotionen, Wirtschaftsinteressen und Populismus evidenzbasierte Klimapolitik blockieren. Die Folge zeigt: Ohne politische Rahmensetzungen wird sich der deutsche Fleischkonsum nicht auf nachhaltige Weise reduzieren lassen.