Better Future with Michael Mezz: 005 - Grace Blakeley on Power, Inequality, and How Elites Captured Capitalism
Grace Blakeley erklärt, warum der Kapitalismus funktioniert – aber nur für eine kleine Elite – und wie gewerkschaftliche Organisation die Machtverhältnisse verschieben könnte.
Better Future with Michael Mezz
71 min read4731 min audioDie Folge "Vulture Capitalism" mit Grace Blakeley, einer britischen Wirtschaftswissenschaftlerin und Autorin, beleuchtet, wie Macht und Kapital in der kapitalistischen Gesellschaft zusammenspielen. Blakeley argumentiert, dass das System nicht „kaputt“, sondern genau so funktioniert, wie es entworfen wurde – zugunsten einer kleinen Elite aus Politiker:innen, Manager:innen und Großinvestor:innen. Sie zeigt auf, wie der Staat Großkonzerne wie Boeing oder Banken systematisch stützt, während Risiken auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Die Diskussion spannt sich von historischen Prozessen wie der „Enclosure“-Bewegung bis zu heutigen Formen neo-kolonialer Ausbeutung und fragt danach, wie demokratische Kontrolle über Wirtschaft und Politik zurückgewonnen werden kann.
### 1. Das System funktioniert – nur nicht für die Mehrheit
Blakeley betont, dass kapitalistische Ökonomien bewusst auf Machtkonzentration ausgelegt seien: „The system isn't broken – it's working exactly as it's designed.“ Politische Interventionen nach der Finanzkrise etwa hätten Großbanken gerettet, ohne Strukturen zu ändern. Diese engen Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Staat würden als „Elite-Netzwerk“ Besitzverhältnisse zementieren.
### 2. Freiheit gilt vor allem dem Kapital, nicht den Menschen
Unter Neoliberalismus werde „wirtschaftliche Freiheit“ mit „Freiheit des Kapitals“ gleichgesetzt. Regulationen würden als Bevormundung gebrandmarkt, während Subventionen, Steuervergünstigungen und Bailouts für Großkonzerne kaum hinterfragt würden. Das zeige: „We are not switching power between corporations and states – we ignore how they cooperate to crush the freedom of everyone else.“
### 3. Moral-Hazard-Prinzip: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren
Am Beispiel Boeing erläutert Blakeley, wie durch staatliche Rettungen das Risiko für Konzerne minimiert wird. Trotz mangelnder Sicherheitsprüfungen und Todesfällen habe das Unternehmen weiter Subventionen erhalten, weil politische Entscheider:innen mit dem Vorstand verflochten seien. Die Allgemeinheit trage die Kosten, während Manager:innen straffrei ausstiegen.
### 4. Reiche:Innen schöpfen keine Arbeitsplätze, sondern kontrollieren Lebensnotwendiges
Das Narrativ „Reiche schaffen Jobs“ wird als Mythos entlarvt. Tatsächlich würden Besitzende durch historische Landnahme (Enclosure) die Kontrolle über Ressourcen erlangen. Menschen müssten sich daher unter Marktbedingungen verkaufen – ein Zwang, der über „work or die“-Strukturen (Erwerbsarbeit oder Obdachlosigkeit) aufrechterhalten werde.
### 5. Koloniale und neo-koloniale Extraktion als Kern kapitalistischen Wachstums
Vom East India Company bis zu heutigen Investor-Staat-Streitigkeiten (ISDS) werde globale Ungleichheit durch Verträge zementiert, die Konzerne erlauben, demokratische Regierungen auf Schadenersatz zu verklagen. Das Beispiel Ecuador/Chevron illustriert, wie Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen mit juristischer Macht abgesichert würden.
### 6. Hoffnung liegt in kollektiver Organisation, nicht in Einzelaufstieg
Als Gegenmodell wird gewerkschaftliche Selbstorganisation propagiert. Blakeley plädiert für globale Arbeiter:innenbündnisse, da Produktionsketten heute zwar international seien, Arbeitnehmer:innen aber national getrennt und gegeneinander ausgespielt würden. Erst gemeinsame Verhandlungsmacht ermögliche demokratische Mitbestimmung im Wirtschaftsleben.
## Einordnung
Der Podcast folgt einem klaren Unterhaltungs-Format: Lockeres Gespräch, sympathische Auflockerungen („Myth-Busting-Segment“, Friends-Referenz) und gegenseitige Bestätigung der Hosts. Das führt zu kurzen, zugänglichen Erkläungen, doch der Anspruch bleibt journalistisch auf persönlicher Ebene. Es fehlen kritische Nachfragen oder Gegenpositionen – Expert:innenstatus und Faktenbehauptungen (z.B. Zahlen zu Erbschaften, Boeing-Subventionen) werden ohne externe Kontexte oder Quellen gegengecheckt. Gleichzeitig gelingt es Mezzatesta, komplexe Themen wie ISDS, dialektischen Materialismus oder historische Enclosure in alltagsnahe Sprache zu übersetzen, ohne dabei die Kritik an Machtkonzentration zu entschärfen. Die Sendung positioniert sich damit eindeutig links-progressiv, ohne jedoch alternatives Expertenwissen oder konservative Ökonom:innen zu Wort kommen zu lassen. Die Folge ist eine wohltuend klare, wenn auch einseitige Kapitalismuskritik, die sich durch hohe Gesprächsdichte und konsequente Unterhaltungstechniken von akademischen Analysen unterscheidet.