Der Future-Histories-Podcast empfängt die drei britischen Vordenker:innen Kai Heron (Lancaster University), Keir Milburn (Autor und Aktivist) und Bertie Russell (Universität Barcelona) zu ihrem gemeinsamen Buchprojekt „Radical Abundance“. Sie entwerfen darin ein Konzept für eine grüne, demokratische Zukunft jenseits von Mangel- und Wachstumslogik. ### 1. Radikale Überfülle statt Öko-Mangel oder Kapitalismuswachstum Die Idee der „radical abundance“ wenden die Autor:innen in zwei Richtungen polemisch gegen: einerseits gegen eine Öko-Politik des Verzichts („degrowth“), andererseits gegen kapitalistische Kommodifizierung. Stattdessen postulieren sie, „the planet has more than enough to go around for everyone, it's just that the way that it's currently organized is for the benefit of capital“. ### 2. Politik des Übergangs: Reform und Aufbruch gleichzeitig Ein zentrales Anliegen ist eine „politics of transition“, die weder in Reformismus noch in klassischen Revolutionserzählungen steckenbleibt. Durch „building a new society within the shell of the old“ wollen sie Dual-Power-Strukturen schaffen, um von Kapitalismus hin zu ökologischem Sozialismus zu gelangen. ### 3. Public-Commons-Partnerschaften als Gegenmodell zu PPP Albtraum öffentlich-privater Partnerschaften (PPP) soll Public-Commons-Partnerschaften (PCP) weichen: Allianzen von Kommunalverwaltungen mit Genossenschaften, Landtrusts oder Community-Energy-Projekten. Sie versprechen demokratische Mitsprache, gemeinschaftlichen Besitz und faire Risiko- und Gewinnverteilung. ### 4. „Derisking the Commons“ – Sozialstaat stützt Commons Die Autor:innen betonen, dass Commons nicht als Selbstläufer funktionieren. Nur durch „derisking“ – also öffentliche Finanzierung, Rechtssicherheit und Infrastruktur – könne klein, oft kapitalschwache Commons-Projekte stabil wachsen und skalieren. ### 5. Postkapitalistische Ökonomie aufbauen statt nur Wohlfühlnischen PCP seien kein „silver bullet“, sondern Bausteine für eine andere politische Ökonomie: „They’re about shifting power from capital to commoners and from the state to commoners“ und damit für kollektive Bedarfsdeckung innerhalb planetarer Grenzen. ### 6. Historische Referenzen: Preobraschenski bis Black Panthers Die Theoretiker:innen schöpfen aus einem breiten Spektrum linker Traditionen – von der sowjetischen Industrialisierungsdebatte um Preobraschenski über marxistische Latinamerika-Theorie bis zu Praxiserfahrungen der Black Panthers, der Occupy-Bewegung und aktueller Municipalism-Projekte. ## Einordnung Die Folge wirkt wie ein aufgezeichnetes Think-Tank-Gespräch: Drei Expert:innen skizzieren ein alternatives Transformationsmodell, das zwischen Reform und radikalem Bruch oszillieren will. Die Stärke liegt in der Verknüpfung konkreter Institutionen (PCP) mit historisch-theoretischem Fundament. Schwächen zeigen sich bei der Annahme, Kommunalverwaltungen würden strategisch genug Spielraum erhalten, Commons zu befördern, ohne von Finanz- oder Landhaushaltsinteressen überlagert zu werden. Die Diskussion bleibt weitgehend auf dem globalen Norden fokussiert; Perspektiven aus dem Süden oder Anti-Imperial-Kritik fehlen. Der Moderator versucht nicht, kontroverse Punkte zu hinterfragen, wodurch das Format eher akademisch-vorstellend als journalistisch-kritisch wirkt. Hörempfehlung: Wer konkrete Utopien für eine sozial-ökologische Transformation jenseits von Verzicht und Wachstum sucht, findet hier eine fundierte Denkschablone – mit dem nötigen Mut zur Lücke zwischen Theorie und Realpolitik.