11KM: der tagesschau-Podcast: Gaza: Krieg, Hunger und die Suche nach Frieden

ARD-Korrespondent Segador berichtet über die dramatische Lage in Gaza, wo israelische Soldaten mutmaßlich auf hungernde Zivilisten schossen.

11KM: der tagesschau-Podcast
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11KM-Podcast-Host David Krause spricht mit ARD-Korrespondent Julio Segador über die dramatische Lage im Gazastreifen nach fast zwei Jahren Krieg. Trotz einer gemeinsamen Erklärung von 28 Staaten, die ein sofortiges Kriegsende fordern, setze Israel seine Offensive fort. ### Israelische Soldaten sollen auf hungernde Zivilisten geschossen haben Nach UN-Angaben seien am Sonntag bis zu 93 Menschen erschossen worden, die auf Hilfsgüter gewartet hätten. Segador berichtet: "Es gab so viele Verletzte. Junge Männer wurden direkt vor meinen Augen getötet", zitiert er einen Augenzeugen. Während die UN und Augenzeugen israelische Soldaten beschuldigen, erkläre die israelische Armee, nur Warnschüsse abgegeben zu haben. "Das ist natürlich ein großes Problem, dass wir selber Journalisten als Korrespondenten in Israel nicht die Möglichkeit haben, in den Gazastreifen zu kommen", räumt Segador ein. ### Hilfslieferungen seien völlig unzureichend Die Versorgungslage sei katastrophal: Während der letzten Waffenruhe seien 600 LKW täglich nötig gewesen, aktuell kämen nur noch 25 LKW an. "Es kommt ja kaum was rein", so Segador. Private Verteilzentren hätten das UN-System ersetzt, was zu Chaos führe: "Es zählt das Recht des Stärkeren. Leute, die keine Möglichkeit haben, dorthin zu kommen. Kinder, ältere Leute, Verletzte [...] haben auch keine Möglichkeit, Waren zu bekommen." ### Hamas kämpfe als Guerilla weiter Obwohl 70-80 Prozent der Hamas-Kämpfer getötet worden seien und die komplette Führungsspitze "eliminiert" wurde, existiere die Organisation weiter. "Inzwischen ist es so, wissen wir, dass es eher ein Guerillakampf ist. Die sind versteckt, teilweise in den Trümmern, teilweise in den Tunnelanlagen", erklärt Segador. Die Taktik habe sich komplett geändert. ### Waffenruhe-Verhandlungen stecken in der Sackgasse Bei den Verhandlungen gebe es unüberbrückbare Differenzen: Die Hamas fordere den israelischen Rückzug aus eroberten Gebieten, Israel verlange die Entwaffnung der Hamas und deren Abzug aus Gaza. "Die Hamas lehnt es ab, sich zu entwaffnen und Israel lehnt es ab, sich zurückzuziehen militärisch aus dem Gasstreifen", fasst Segador zusammen. ### Trump könnte Schlüsselrolle spielen Segador sieht in US-Präsident Donald Trump den möglichen Wendepunkt: "Ich kann mir vorstellen, dass eigentlich der Schlüssel wirklich für eine erneute Waffenruhe möglicherweise dann auch für einen nachhaltigen, längerfristigen Waffenstillstand, dass der wirklich in Washington liegt bei Donald Trump." ## Einordnung Das Gespräch folgt klassischen journalistischen Standards: Der Korrespondent macht seine Informationsquellen transparent und räumt ein, wo Verifikation unmöglich ist. Besonders deutlich wird dies bei den Vorwürfen gegen israelische Soldaten, wo Segador verschiedene Darstellungen referiert und die Unmöglichkeit eigener Recherche vor Ort benennt. Seine Einschätzungen kennzeichnet er klar als Interpretationen. Die Analyse der militärischen und politischen Lage wirkt sachkundig und differenziert, ohne in Spekulationen abzudriften. Problematisch ist jedoch die weitgehend unkritische Übernahme militärischer Terminologie wie "eliminiert" und "neutralisiert" für getötete Menschen. Hier reproduziert der Korrespondent sprachliche Entmenschlichung, ohne sie zu hinterfragen. Zudem fehlen palästinensische Stimmen fast völlig - abgesehen von einem kurzen Augenzeugenbericht werden die Betroffenen hauptsächlich als Objekt der Berichterstattung behandelt. Die Perspektive bleibt trotz des Bemühens um Ausgewogenheit primär israelisch-westlich geprägt. Eine kritischere Einordnung der israelischen Kriegsführung und ihrer völkerrechtlichen Bewertung wäre wünschenswert gewesen, ebenso wie eine stärkere Kontextualisierung der humanitären Katastrophe.