France Culture diskutiert zwei Jahre nach der Hamas-Attacke vom 7. Oktober 2023 die Perspektiven für Israel und Palästina. Gesprächsleiterin Astrid de Villaines begrüßt den Politikwissenschaftler Ziad Majed (Université américaine de Paris), die Sicherheitsexpertin Amélie Férey (IFRI), den Geopolitiker Dominique Moïsi (Institut Montaigne) sowie den Journalisten Michel Taubmann aus Tel Aviv. Das Format versteht sich als journalistische Analyse auf akademischem Niveau. ### 1. Stimmung in Israel: zwischen Hoffnung und Erstarrung Michel Taubmann schildert, dass Tel Avivs "Place des otages" seit zwei Jahren zur Ikone nationaler Trauer geworden sei. Bei den wöchentlichen Kundgebungen herrsche eine „fragile Hoffnung“ auf ein Ende des Stillstands, wobei linke Proteste mit palästinensischen Toten-Motiven Randerscheinungen blieben. Die Gesellschaft sei „erstarrt in Schmerz und Starre“, erst ein Waffenstillstand könne den Blick wieder nach vorne richten. ### 2. Trumps Plan: PR-Sieg statt Strategie Dominique Moïsi erkennt in Donald Trumps 20-Punkte-Plan weniger substanzielle Friedenspolitik als Image-Kampagnen-Manöver: „Er nähert sich dem Friedensnobelpreis in seinem Geist.“ Die US-Öffentlichkeit interessiere sich mehr für Nahost denn für die Ukraine; ein erfolgreicher Deal würde Trump vom „Clown“ zum ernstzunehmenden Staatsmann erheben. ### 3. Kritik an der Gefahr eines „genozidalen Krieges“ Ziad Majed warnt, ohne belastbare Garantien für Israel könne der Waffenstillstand jederzeit zusammenbrechen. Für Palästinenser:innen stehe vorab reines Überleben im Mittelpunkt. Er spricht explizit von einer „guerre génocidaire“, womit Israels Vorgehen als möglicher Völkermörd eingeordnet wird. ### 4. Machtspiele hinter den Verhandlungen Amélie Férey betont, dass Militärs und Sicherheitsapparate beider Seiten den Spielraum der Politiker:innen begrenzten. Ohne klare Nachkriegsagenda bestehe die Gefahr, dass Extremist:innen das Vakuum füllen und erneute Gewaltzyklen beginnen. ### 5. Palästinensische Staatlichkeit: Anerkennung ohne Architektur Trotz Anerkennung Palästinas durch Frankreich und weitere Staaten fehle eine konkrete Roadmap für souveräne Institutionen. Stattdessen positionieren sich laut Ziad Majed internationale Immobilieninvestoren bereits für „den Tag danach“, was Befürchtungen einer wirtschaftlichen Aufnahme ohne politische Teilhabe schüre. ### 6. Europäische Außenpolitik: außen vor Dominique Moïsi bemängelt, Europa spiele bei den Verhandlungen keine Rolle. Die Initiative liege bei Katar, Ägypten und den USA. Die EU müsse sich entscheiden, ob sie „Zahlmeister:in“ oder geopolitischer Akteur sein wolle. ## Einordnung Die Sendung liefert eine anspruchsvolle, vielfältige Debatte, die keine einfachen Lösungen suggeriert. Besonders bemerkenswert ist die klare Sprache Ziad Majeds, der Israels Kriegsführung als möglichen Völkermord bezeichnet – ein im französischen Mainstream selten gehörter Vorwurf. Die Expertise der Gäste bleibt hoch; journalistische Neutralität wird durch Konjunktivformulierungen („Trump wolle…“) gewahrt. Kritisch: Palästinensische Zivilgesellschaft kommt nicht zu Wort, Frauenstimmen fehlen, und die Berichterstattung bleibt eurozentriert. Die Diskussion reproduziert implizit Machtgefälle, indem westliche Sicherheitsinteressen stärker gewichtet werden als palästinensische Rechtsansprüche. Insgesamt bietet die Folge trotz Lücken eine informative, differenzierte Auseinandersetzung – hörenswert für Hörer:innen, die über Klischees hinausdenken wollen.