Im zweiten Teil des Gesprächs mit Susanne Lang und Robert Maruschke geht es um die Praxis des linken Organizing. Robert erklärt, Organizing bedeute systematisch Beziehungen zu Menschen aufzubauen, mit denen man die Welt verändern wolle, und sie ernst zu nehmen. Susanne berichtet, wie sie als Jugendliche in Schweden mit Antifa-Gruppen begann, später in den USA Community-Organizing kennenlernte und diese Erfahrungen in Berlin umsetzte. Beide betonen, dass Erfolg nicht nur in Mitgliederzahlen liege, sondern darin, Menschen ein politisches Zuhause zu bieten. Sie identifizieren drei zentrale Problemzonen in der Linkspartei: kulturelles Unbehagen, Wissens- und Organisationslücken sowie problematische interne Erzählungen. Die Diskussion zeigt, wie wichtig Perspektivwechsel sind – etwa vom Kreisvorsitzenden zum Neumitglied – und wie digitale Tools wie die Aktivisti-App oder Zkin-Software helfen, Beteiligung zu erleichtern, ohne dabei in Technikgläubigkeit zu verfallen. Internationaler Austausch etwa mit der KPÖ oder der Working Families Party wird als wertvoll beschrieben, solange er nicht in oberflächlichem Copy-and-Paste endet. ### 1. Organizing als Beziehungsarbeit Organizing sei kein linksradikales Monopol, sondern eine Methode, die von verschiedenen politischen Lagern genutzt werde. Der Unterschied liege darin, wofür man sie einsetze: "Organizing bedeutet für mich eigentlich, dass wir systematisch Beziehungen zu den Leuten aufbauen, mit denen wir eigentlich die Welt verändern wollen." ### 2. Die drei Problemzonen einer Partei im Umbruch Die größten Herausforderungen einer Organisation entstünden oft nicht aus Krisen, sondern aus Erfolgsphasen. Die drei zentralen Problemzonen seien: kulturelles Unbehagen, Wissens- und Organisationslücken sowie problematische interne Erzählungen, die oft nur dazu dienten, eigene Positionen zu stärken. ### 3. Perspektivwechsel als Organisationsprinzip Die Partei müsse sich stärker aus der Sicht neuer Mitglieder entwickeln: "Wir müssen alles, was wir tun, aus der Perspektive der Leute denken." Dazu gehöre, Beteiligungsformate anzubieten, die unterschiedliche Lebensrealitäten berücksichtigen – von beruflich stark gebundenen Menschen bis zu einsamen oder arbeitslosen Genoss:innen. ### 4. Technik als Ergänzung, nicht als Zauberformel Digitale Werkzeuge wie die Aktivisti-App oder die Zkin-Software würden helfen, organisatorische Hürden abzubauen, seien aber kein Ersatz für persönliche Gespräche: "Am Ende entscheiden es die Leute selbst und wir müssen uns von der Last befreien, dass alle kommen müssen." ### 5. Internationaler Austausch statt Copy-and-Paste Die Linke lerne zwar von anderen Parteien wie der KPÖ oder der Working Families Party, doch: "Copy-paste-Strategiefindung ist auf lange Sicht immer zum Scheitern verurteilt." Stattdessen müssten Erfahrungen angepasst und gemeinsam neue Wege erprobt werden. ## Einordnung Die Episode überzeugt durch ihre reflektierte Grundhaltung: Statt Selbstverständlichkeiten zu reproduzieren, hinterfragen die Gesprächspartner:innen konsequent ihre eigene Organisationspraxis. Besonders bemerkenswert ist die Offenheit, mit der sie über Schwächen sprechen – etwa über die mangelnde Wertschätzung neuen Wissens oder die Tendenz zur Selbstreferentialität in linken Strukturen. Die Diskussion um digitale Tools bleibt dabei erfreulich frei von Technikgläubigkeit; stattdessen wird betont, dass Technik nur so gut sei wie die Haltung, mit der sie genutzt werde. Einziger Wermutstropfen: Die Perspektive von Menschen, die die Linke als nicht zugänglich erleben, bleibt theoretisch. Konkrete Stimmen von Aussteiger:innen oder Nicht-Mitgliedern wären hier eine wertvolle Ergänzung gewesen. Insgesamt liefert die Folge einen wertvollen Einblick in Organizing-Praxis jenseits von Aktivismus-Klischees – mit einem klaren Fokus auf Beziehungsarbeit statt Effizienzmaximierung.