Neues vom Ballaballa-Balkan: Spomeniks - Jugoslawiens monumentale Erinnerungskultur
Ein sanftes Plädoyer für den Erhalt der jugoslawischen Spomeniks, das ihre politische Brisanz in der Gegenwart jedoch kaum auslotet.
Neues vom Ballaballa-Balkan
5340 min audioDer Podcast behandelt die sogenannten Spomeniks, monumentale Gedenkstätten im ehemaligen Jugoslawien, die an den Widerstand gegen den Faschismus und die Opfer des Zweiten Weltkriegs erinnern. Im Gespräch mit der Kuratorin Tanja Lužanin und dem Künstler Vladan Jeremić geht es um die historische Bedeutung, die künstlerische Form und die gegenwärtige Verfallserscheinung dieser Bauwerke. Die Spomeniks gelten als Ausdruck einer modernistischen Erinnerungskultur, die sich bewusst vom sowjetischen Realismus abgrenzte. Heute stehen viele von ihnen im Verfall, ihre Bedeutung wird von rechten und nationalistischen Kräften umgedeutet oder als Instagram-Kulisse verharmlost. Die Interviewten betonen, dass die Denkmäler nicht nur kulturelles Erbe, sondern oft auch Massengräber seien und ihre Zerstörung oder Verfall einer „zweiten Tötung“ gleichkomme.
### Die Spomeniks seien bewusst abstrakt gestaltet worden
Die abstrakte Form der Denkmäler sei keine zufällige Ästhetik, sondern eine bewusste Abkehr von heroisierenden Figuren. Lužanin erklärt: „Das Besondere ist auch, dass diese Denkmäler [...] nicht unbedingt eine Form haben, die wir als [...] Soldat, Präsident oder König erkennen.“ Stattdessen kommunizierten sie über Symbolik – etwa der gebrochene Kristall beim Kozara-Spomenik, der für die zersplitterte Gesellschaft und das Überleben der Gemeinschaft stehe.
### Das Desinteresse der Lokalbevölkerung begünstige den Verfall
Viele Bewohner:innen der ehemaligen jugoslawischen Republiken wüssten nicht, dass die Spomeniks oft Massengräber seien. Lužanin kritisiert: „Die Lokalbevölkerung ist sich sehr oft nicht bewusst, dass diese Spomeniks auch ein Massengrab sind.“ Dieses Unwissen führe zu mangelndem Schutz und lasse die Monumente verfallen – was für die Angehörigen der Opfer wie eine erneute Entwürdigung wirke.
### Die Denkmäler würden von nationalistischen Kräften umgedeutet
Die Spomeniks seien heute nicht nur Verfall ausgesetzt, sondern auch politisch umkämpft. Lužanin warnt, dass „rechte und Nationalisten“ die Monumente instrumentalisieren würden, um die gemeinsame jugoslawische Geschichte zu leugnen. Dabei handle es sich um staatlich finanzierte Mahnmale, die noch immer im Besitz der Nachfolgestaaten seien.
### Internationales Interesse basiere auf Ästhetik, nicht auf Geschichte
Seit etwa einem Jahrzehnte wachse das Interesse – vor allem durch Tourist:innen, die die Monumente als „Instagram-kompatible“ Kulisse nutzen. Der Narrator konstatiert: „Tourist:innen reisen an, weil die Spomeniks extrem ‚instagrammable‘ sind.“ Dabei werde oft übersehen, dass es sich um Orte des Gedenkens und nicht um Science-Fiction-Requisiten handele.
### Die Erinnerung an die Spomeniks müsse aktiv gelebt werden
Jeremić betont, dass die Bedeutung der Monumente nicht in der Steinstruktur liege, sondern in der kollektiven Erinnerung: „Das Monument existiert im Territorium, aber auch in den Erinnerungen der Menschen.“ Ohne diese Erinnerung zu aktivieren, würden die Spomeniks ihre Funktion verlieren.
## Einordnung
Die Folge wirkt wie ein kulturpolitisches Plädoyer für den Erhalt der Spomeniks, nicht wie ein kritisches Format. Die Sprecher:innen bleiben in ihrer Argumentation unkonkret, wenn es um die Frage geht, welche nationalistischen Umdeutungen konkret stattfinden oder welche rechten Akteure die Denkmäler für sich vereinnahmen. Die Kritik an „Instagram-Tourismus“ und „falschem Interesse“ klingt elitär, bleibt aber ohne empirische Belege. Positiv ist die konsequente Gendergerechte Sprache („Tourist:innen“), aber auffällig ist auch die mangelnde Diversität der interviewten Expertise – weder Vertreter:innen lokaler Erinnerungsinitiativen noch Historiker:innen kommen zu Wort. Die Sendung reproduziert damit eine ästhetisierende Sicht auf die Monumente, ohne ihre politische Brisanz in der Gegenwart auszuloten. Die Erzählung verharrt in einer nostalgischen Feststellung des Verfalls, anstatt zu fragen, warum die Denkmäler für viele Menschen heute keine Bedeutung mehr haben. Die Folge eignet sich als sanfte Einführung in das Thema, fordert aber weder die Interviewten noch die Hörer:innen heraus, die eigenen Standpunkte zu hinterfragen.