Der Tag: Hamas-Geiseln frei - Nahost zwischen Freude und Ungewissheit
Die Episode ordnet die Freilassung der Gaza-Geiseln und Trumps Besuch in Israel ein – mit vielen Details, aber wenig Kritik an den politischen Inszenierungen.
Der Tag
33 min read1701 min audioDer Deutschlandfunk-Podcast „Der Tag“ vom 13. Oktober 2025 beleuchtet die Freilassung der letzten lebenden Geiseln aus dem Gazastreifen und die damit verbundenen politischen Verschiebungen. Moderatorin Sandra Schulz spricht mit Korrespondent Jan-Christoph Kitzler in Tel Aviv sowie mit EU-Korrespondent Klaus Remme in Brüssel über die Bedeutung des Tages, die Rolle Donald Trumps, die Zukunft des Gaza-Konflikts und die Außenpolitik der EU.
Hauptsprecher sind Sandra Schulz (Moderation), Jan-Christoph Kitzler (DLF-Korrespondent Tel Aviv), Klaus Remme (DLF-Korrespondent Brüssel) sowie Wolfgang Ischinger (ehemaliger Diplomat, Interviewausschnitt).
### 1. Die Geiselfreilassung markiert möglicherweise das Ende des Gaza-Krieges
Kitzler betont, dass mit der Freilassung aller lebenden Geiseln eine zentrale Kriegsbedingung entfalle und der Krieg „Chancen“ habe, zu enden. Allerdings seien 28 tote Geiseln noch in Gaza, von denen zunächst nur vier übergeben würden. Die Hamas habe angegeben, nicht alle Leichen zu finden. Die Übergabe verlief laut Kitzler „ziemlich reibungslos“, ohne Demütigungen wie bei früheren Gelegenheiten.
### 2. Trump wird in Israel als Friedensstifter gefeiert – Kritik bleibt aus
In der Knesset erntet Donald Trump Standing Ovations; Netanyahu preist ihn als „stark“, wo andere „schwach“ gewesen seien. Trump selbst lobt sich selbst, fordert eine Begnadigung Netanyahus („es geht um ein paar Zigarren und Champagner“) und spricht vom „Ende des Terrors“ und einem „neuen Nahen Osten“. Kritik an dieser Selbstinszenierung oder an der politischen Symbolik kommt weder aus Israel noch aus dem Podcast-Team.
### 3. EU sieht sich als geopolitischer „Zwerg“ ohne Einfluss
Wolfgang Ischinger wirft der EU ein „komplettes Desaster“ in der Nahostpolitik vor. Remme erklärt, die EU sei intern gespalten zwischen „Israel-lager“ (z. B. Deutschland, Österreich, Ungarn) und „Palästina-freundlichen“ Staaten (z. B. Spanien, Irland). Einstimmigkeit sei Illusion, daher habe man sich in Brüssel oft gar nicht mehr zu Waffenruhe oder Gaza geäußert. Die EU habe sich „selbst verzwergt“ und ihre Beziehungen zu Israel massiv gestört.
### 4. Humanitäre Lage in Gaza könnte sich kurzfristig bessern
Israel habe sich laut Kitzler auf 53 % des Gazastreifens zurückgezogen; Hunderttausende Rückkehrer:innen finden Zerstörung. Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen bereiten eine massive Hilfslieferung vor, es sollen 145 Verteilstationen entstehen. Die humanitäre Versorgung könne sich „sehr schnell“ verbessern, solange die Waffenruhe anhalte.
### 5. Entwaffnung der Hamas bleibt offen – Machtvakuum wird sichtbar
Während Israel Demilitarisierung fordert, präsentiert sich die Hamas laut Kitzler wieder als „Ordnungsmacht“: Bewaffnete Einheiten patrouillieren durch Gaza-Stadt und gehen gegen rivalisierende Clans vor. Eine internationale Sicherheitstruppe ist vorgesehen, doch arabische Staaten zögern, sich einzubringen, „solange die Hamas noch da ist“. Druckmittel für Israel bleiben unklar, da Netanyahu betont, der Krieg könne „jederzeit wieder hochgefahren“ werden.
## Einordnung
Die Sendung liefert zwar viele Fakten aus Tel Aviv und Brüssel, bleibt aber in der Bewertung der Ereignisse auffällig unkritisch. Die Selbstinszenierung Donald Trumps wird fast wortwörtlich wiedergegeben, ohne dessen innenpolitische Motive oder die brisante Symbolik seines Auftritts vor der Knesset zu hinterfragen. Auch die israelische Position, den Krieg jederzeit fortsetzen zu können, wird ohne Gegenfrage stehen gelassen. Gleichzeitig fallen palästinensische Perspektiven weitgehend weg: Wedem die humanitäre Katastrophe noch die Sichtweisen von Gaza-Bewohner:innen oder palästinensischen Politiker:innen kommen zu Wort. Stattdessen wird die EU primär auf ihre innere Handlungsunfähigkeit reduziert – eine zwar zutreffende, aber auch bequeme Selbstblockade, die es entlastet, konkrete Druckmittel gegenüber Israel zu diskutieren. Insgesamt ein informativer, aber im Ton sehr nachrichtennaher Podcast, der eher beschreibt als zu hinterfragen wagt.