Der Rest ist Geschichte: Rechter Terror - Das Gift der Verharmlosung
Wie Polizei und Politik jahrzehntelang rechten Terror in Deutschland unterschätzten – eine zeithistorische Analyse mit Expertin Barbara Mante.
Der Rest ist Geschichte
28 min read2819 min audioDer Deutschlandfunk-Podcast „Der Rest ist Geschichte“ beleuchtet in der Folge „NSU, Baseballschlägerjahre, Oktoberfestattentat“ die Geschichte rechtsterroristischer Gewalt in Deutschland. Moderator:innen sind Jörg Biesler und Antran, Gesprächsgast ist die Zeithistorikerin Barbara Mante. Das zentrale Thema ist das Versagen von Polizei und Politik beim Umgang mit rechtsextremer Gewalt – vom Oktoberfestattentat 1980 über die „Baseballschlägerjahre“ der 1990er bis zum NSU-Komplex.
### 1. Oktoberfest-Attentat 1980: Politische Motive wurden systematisch ignoriert
Obwohl der Täter Gundolf Köhler der verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann angehörte und die Tat mitten im Wahlkampf geschah, erklärten bayrische Behörden den Anschlag schnell zum „unpolitischen Akt eines Psychopathen“. Erst 2014 nahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf und spricht heute von „rechtsterroristischem Handeln“.
### 2. Wehrsportgruppe Hoffmann: Neonazi-Strukturen in den 1970er Jahren
Die Gruppierung um Karl-Heinz Hoffmann nutzte militärische Ästhetik, um junge Männer anzuwerben. Trotz eines vorliegenden Verbots 1980 wurde ihre Gefährlichkeit unterschätzt. Der charismatische Führer versprach Gemeinschaft und „politische Wirksamkeit“ gegen die angeblich dominante Linke.
### 3. „Baseballschlägerjahre“: Gewaltexzesse nach der Wiedervereinigung
Nach 1990 kam es zu einem beispiellosen Anstieg rassistischer Gewalt. In Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen starben Menschen bei Brandanschlägen oder Prügelattacken. Polizei und Politik reagierten zögerlich, oft wurde bei den Opfern nach „Schuldelementen“ gesucht.
### 4. NSU-Komplex: Behörden versagten auf breiter Ebene
Die Selbstenttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ 2011 führte erst zu gründlichen Ermittlungen. Angehörige kritisieren, dass die Behörden jahrelang die falschen Fragen stellten, Strukturen ignorierten und Täter verharmlosten. Zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts sei damals weitgehend ausgeblieben.
## Einordnung
Der Podcast setzt auf zeithistorische Expertise, um Muster des Behördenversagens sichtbar zu machen. Die journalistische Stärke liegt in der stringenten historischen Durchzeichnung und der klaren Benennung politischer Verantwortung. Besonders hervorzuheben ist, dass rechte Gewalt nicht als Randerscheinung, sondern als strukturelles Problem behandelt wird. Die Expertise von Barbara Mante liefert dabei belastbare Fakten, ohne in moralisierende Rückblenden zu verfallen. Gelegentlich bleiben aktuelle Bezüge zur heutigen rechtsextremen Szene etwas unterentwickelt – eine stärkere Einbindung gegenwärtiger Forschungsdebatten könnte den Bogen zur Gegenwart noch weiter öffnen. Insgesamt ist die Folge ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung rechter Gewalt in Deutschland.
Hörempfehlung: Wer verstehen will, wie historisches Schweigen und Verharmlosen bis heute nachwirken, erhält hier eine fundierte und zugängliche Analyse.