Weltspiegel Podcast: Bürgerkrieg im Sudan: die ignorierte Katastrophe
Der Weltspiegel-Podcast zeigt, warum der Bürgerkrieg im Sudan trotz Völkermord-Vorwürfen und 12 Millionen Flüchtlingen kaum Beachtung findet – und welche Rolle die Vereinigten Arabischen Emirate dabei spielen.
Weltspiegel Podcast
30 min read1810 min audioDer Weltspiegel-Podcast widmet sich der vernachlässigten humanitären Katastrophe im Sudan, wo seit 2023 ein brutaler Bürgerkrieg zwischen der sudanesischen Armee unter Abdel Fatah Al Burhan und den Rapid Support Forces (RSF) von Mohammed Hamdan Dagalu tobt. ARD-Korrespondent Ramin Sina berichtet, dass beide Seiten schwere Kriegsverbrechen begehen und der Sudan faktisch geteilt sei. Die RSF kontrolliere den Westen mit den Goldvorkommen, während die Armee den Osten halte. Internationale Vermittlung fehle, da wichtige Akteure wie die Vereinigten Arabischen Emirate die RSF mit Waffen und Geld versorgen und kein ausländischer Druck auf sie ausgeübt werde. Sina schildert, wie sudanesische Flüchtlinge in Ägypten mit Alltagsrassismus konfrontiert seien, aber dankbar für Sicherheit seien. Der im Sudan geborene Zain-Alabidin Al-Khatir, der 2013 fliehen musste, ergänzt, dass seine Familie im belagerten Al-Fascha kaum Essen habe und nur Erdnussschalen kochen könne. Er fordert mehr internationale Aufmerksamkeit und humanitäre Hilfe.
### 1. Der Sudan sei faktisch geteilt – RSF kontrolliere den Westen und die Goldfelder, die Armee den Osten
Sina berichtet, Dagalo habe sich in von der RSF gehaltenen Gebieten als Regierungschef vereidigt und eine Parallelregierung ausgerufen. Die Armee habe die Hauptstadtregion Khartum zwar zurückerobern können, doch beide Seiten stünden sich weiter unversöhnlich gegenüber. "Der Sudan ist de facto geteilt", fasst er zusammen.
### 2. Die Vereinigten Arabischen Emirate liefern der RSF heimlich Waffen und finanzieren Söldner
Über Tschad würden Waffen geschmuggelt, kolumbianische Söldner per Flugzeug eingeflogen. Die Emirate wollten Zugang zu den Goldvorkommen und langfristig zum Hafen Port Sudan. "Die Vereinigten Arabischen Emirate gelten als das Land, das am stärksten involviert ist in diesen Krieg", sagt Sina.
### 3. Die sudanesische Bevölkerung lehne zunehmend beide Kriegsparteien ab, wobei die RSF wegen ethnischer Säuberungen besonders verhasst sei
Viele Sudanes:innen sähen die Armee als kleineres Übel an, doch die Graueltaten der RSF in Darfur hätten zu einer "beide müssen gehen"-Haltung geführt. In von der Armee kontrollierten Gebieten wage jedoch niemand offene Kritik an Al Burhan.
### 4. Internationale Vermittlung fehle – westliche Regierungen fürchten diplomatische Spannungen mit den Emiraten
Sina moniert, es gebe keinen ernsthaften Druck, etwa durch Waffenlieferstopp. Die Emirate seien wichtige Handelspartner des Westens, daher scheue man Konfrontation. Auch umliegende Staaten wie Kenia hofften auf einen Sieg Dagalos.
### 5. Die Berichterstattung bleibe ein Bruchteil jener über Gaza oder die Ukraine, obwohl die UN von der größten Flüchtlingskrise der Welt spreche
Sina verweist auf mögliche Migrationsbewegungen Richtung Europa und betont, schon geografisch sei der Sudan „nicht weit weg“. Die geringe mediale Aufmerksamkeit überrasche angesichts der Völkermord-Vorwürfe gegen die RSF.
### 6. Sudanesische Geflüchtete in Ägypto erleben Alltagsrassismus, sind aber dankbar für Sicherheit
Die 33-jährige Radkurierin Salma berichtet von Schikanen, doch viele Ägypter:innen verstünden die Notlage. Ohne legale Aufenthaltsstatusse sei Arbeitssuche schwierig, dennoch herrsche unter sudanesischen Flüchtlingen große Dankbarkeit, zumindest keinen Raketenangriffen ausgesetzt zu sein.
## Einordnung
Die Sendung arbeitet sich präzise an der Konstruktion des „vergessenen Krieges“ ab: Durch die Kombination aus ARD-Korrespondent und Betroffenem gelingt eine emotionale wie informative Doppelperspektive. Die Moderation hinterfragt konsequent, warum der Westen trotz Völkermord-Vorwürfen kaum Druck ausübt, und nennt dabei die geopolitischen Interessen der Vereinigten Arabischen Emirate beim Namen. Besonders stark: Die Analyse externer Einflüsse (Gold, Waffen, Söldner) wird mit individuellen Schicksalen verwoben – etwa als die Flüchtende Salma plötzlich ihre Fahrrad-Karriere in Kairo erzählt. Kritisch bleibt, dass die europäische Perspektive dominiert; sudanesische Zivilgesellschaft oder Frauenorganisationen kommen nicht zu Wort. Dennoch liefert der Podcast eine dringend benötigte Gegenöffentlichkeit zu einem weitgehend ignorierten Konflikt und zeigt, wie internationale Machtpolitik direkt in Menschenschicksale eingreift. Hörempfehlung für alle, die über Krisenberichterstattung hinaus die menschlichen Folgen von Geostrategie verstehen wollen.