Dies isländische Kulturmagazin führt durch drei Themen: Denkmalschützerin Henný Hafsteinsdóttir erklärt im Gespräch mit Halla Harðardóttir, warum die 1978 erbaute Tankstelle an der Ægissíða 102 als spätes Funkis-Monument erhalten werden sollte – trotz Verfalls und Abrissplänen. Theaterkritiker Trausti Ólafsson lobt das Stück „Íbúð 10B“ im Nationaltheater als satirische Abrechnung mit isländischem Wohlstand, wobei die Besetzung von zwei unerfahrenen Schauspielern die Oberflächlichkeit der Eliten unterstreicht. Dichterin Birgitta Björg Guðmarsdóttir stellt ihre neue Lyrik-Sammlung „Draugamandarínur“ vor, in der sie das Öffnen und Teilen von Mandarinen zum Bild für körperliche und spirituelle Offenbarung macht. ### Die Tankstelle als Skulptur Die denkmalgeschützte Tankstelle an der Ægissíða 102 sei ein „Skulptur gewordenes“ Zeugnis spätmodernen Funkis-Designs, sagt Henný Hafsteinsdóttir. Ihre organische Form erinnere an einen Bienenfloss, die Dachkonstruktion wirke trotz Stahlbeton leicht. Ursprüngliche Details wie runde Lampen und sichtbare Träger seien bei Renovierungen verschwunden; eine Wiederherstellung könne das Gebäude retten. ### Abriss vs. Umnutzung Lange stand der Abriss auf dem städtischen Programm, doch eine 2023 erstellte Bestandsaufnahme bewertet das Bauwerk als „hohes Erhaltungswürdig“. Derzeit prüfen drei Architekturbüros Nutzungskonzepte; der Siegerentwurf von Trípolí sehe eine Teilnutzung vor. Die Entscheidung liegt beim Stadtplanungsamt, das bisher keine Denkmalszone festgelegt hat. ### Theater der Reichen Trausti Ólafsson lobt das Stück „Íbúð 10B“ als komödiantische Diagnose isländischer Geldgier. Die Handlung um zwei reiche Ehepaare, die vor einem Wohnungseigentümerversamm lung um ihre Privilegien bangen, wirke wie ein zeitgenössischer Farsi. Besonders die Besetzung der unerfahrenen Schauspieler:innen Swanndís Stóra und Unsteinn Manuel unterstreiche die Leere der Eliten-Klischees. ### Mandarinen als Metapher Birgitta Björg Guðmarsdóttir nutzt das Öffnen von Mandarinen in „Draugamandarínur“ als zentrale Metapher für Intimität, Teilhabe und spirituelle Durchdringung. Das Gedicht „Tanfé“ spiegelt die Spannung zwischen Innen und Außen, wobei das „Techno-Break“ als rhythmische Zäsur das sprachliche Innenleben sichtbar mache. ### Techno-Break als Stilmittel Das „Techno-Break“ in der Lyrik unterbreche den Lesefluss wie ein plötzliches Licht aus, erklärt die Dichterin. Dadurch entstehe ein „Skript-Impuls“, der den Blick auf feinste Details lenkt – vergleichbar mit dem Moment, wenn Mandarinenstücke sich auf der Zunge lösen. ### Kulturelle Selbstreflexion Alle drei Beiträge loten Isländisch-Identität aus: vom modernistischen Tankstellen-Denkmal über die Satire über Wohlstand bis zur Lyrik, die Alltägliches zum Universellen erhebt. Die Sendung wirkt dabei wie ein durchkomponierter Essay über die Fragilität von Geschichte, Macht und Sprache. ## Einordnung Das Format versteht sich als kulturwissenschaftlicher Streifzug, der stets die Perspektive der Akteur:innen einlässt. Die Moderator:innen Halla Harðardóttir und Melkorka Ólafsdóttir fragen nach, lassen aber keine Expert:innen zu Wort kommen, die kritische Gegenpositionen vertreten könnten – etwa zu städtischen Abrissplänen oder zur Exklusion im Theaterbetrieb. Die Tendenz zur Selbstinszenierung der isländischen Kulturszene bleibt unhinterfragt, was dem Podcast aber auch seine homogene Stimmung verleiht. Faktische Behauptungen zur Denkmalpolitik bleiben unbelegt, die journalistische Distanz ist gering; das Magazin wirkt mehr wie ein literarisch aufbereiteter Freundeskreis. Für Hörer:innen, die sich für zeitgenössische isländische Kulturinteressen ohne kontroverse Gegenpositionen begeistern, ist die Sendung unterhaltsam; wer strukturelle Kritik erwartet, wird sie nicht finden. Hörempfehlung: Wer Isländisch versteht und sich für Architektur, Theater und Lyrik in Reykjavík interessiert, bekommt hier stimmungsvolle Einblicke – ohne jedoch tiefergehende Kontroversen oder alternative Perspektiven zu hören.