11KM: der tagesschau-Podcast: Agentin für Russland - eine Brandenburgerin als Waffe Putins?
Investigativer Podcast über eine deutsche Vereinsgründerin, die in Russland als Propagandastar gefeiert wird, während sie hierzulande wegen Unterstützung terroristischer Vereinigung ermittelt wird.
11KM: der tagesschau-Podcast
25 min read1779 min audioLiane Kilinc ist eine 53-jährige Brandenburgerin, die mit ihrem Verein "Friedensbrücke - Kriegsopferhilfe" Spendengelder für Kriegsopfer in besetzten ukrainischen Gebieten sammelt. WDR-Investigativjournalistin Katja Riedel erklärt im Gespräch mit Elena Kuch, wie Recherchen zeigen, dass das Geld nicht nur an Zivilisten, sondern auch an prorussische Bataillone fließt - darunter militärisch nutzbare Güter wie Drohnenkomponenten und Tarnnetze. Die deutsche Justiz ermittelt wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung, doch Kilinc hat sich nach Moskau abgesetzt und dort politisches Asyl erhalten.
### 1. Die Hilfslieferungen betreffen nicht nur Zivilisten
Katja Riedel erklärt, dass die Hilfsgüter neben zivilen auch militärisch nutzbare Güter umfassen: "Also eben Teile von Drohnen, Tarnnetze, Tarnanzüge, Dinge, die man auch nutzen kann, um daraus zum Beispiel Drohnen zu bauen, die bewaffnet sind." Diese Güter werden laut Riedel an prorussische Kämpfer in den besetzten Gebieten geliefert.
### 2. Die rechtliche Bewertung in Deutschland ist eindeutig
Riedel macht klar, dass deutsche Vereine solche Lieferungen nicht durchführen dürfen: "Man darf das nicht machen, dass man dort Hilfsgüter hinliefert als deutscher Verein, denn das wird als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gewertet." Die prorussischen Bataillone werden seit 2022 als terroristische Vereinigung eingestuft.
### 3. Kilinc ist Teil einer russischen Propagandastrategie
Die Journalistin beschreibt, wie Kilinc in Russland als "Propagandafügur" aufgebaut wird: "Diese Frau, die diese Hilfsleistungen da in die Ostukraine liefert und die unsere Truppen unterstützt. Also eine Deutsche, die Putins Krieg unterstützt." Ihre Einbürgerung durch persönliches Dekret von Wladimir Putin werde im Staatsfernsehen live übertragen.
### 4. Der Fall ist Teil eines größeren Netzwerks
Riedel berichtet von Kontakten Kilincs zu deutschen Politikern verschiedener Parteien sowie zu einem mutmaßlichen russischen Geheimdienstmitarbeiter namens Sergej K., der ihre Moskauer Büromiete übernimmt. Europäische Sicherheitsbehörden halten ihn für einen Mittelsmann zwischen russischen Diensten und Personen wie Kilinc.
### 5. Die Spendenaktivitäten laufen trotz Ermittlungen weiter
Obwohl Kilinc in Russland sitzt, werde weiterhin über die Vereinshomepage Geld gesammelt. Riedels Team konnte durch eine Testspende feststellen, dass Kilinc persönlich deutsche Bankverbindungen eines Verwandten für Spenden übermittelt.
## Einordnung
Der investigative Recherchepodcast liefert eine beunruhigende Analyse über die Verquickung von vermeintlich humanitärer Hilfe und geopolitischer Propaganda. Die journalistische Qualität ist hoch - Katja Riedel präsentiert belastbare Fakten, differenziert zwischen bewiesenen Zusammenhängen und Vermutungen und macht die komplexen Verflechtungen zwischen deutschen Spendensammlerinnen und russischen Geheimdiensten verständlich. Besonders bemerkenswert ist die nüchterne Art, wie Riedel die systematische Aufbauarbeit der russischen Seite an Kilinc als Teil einer hybriden Kriegsführung entlarvt. Der Podcast zeigt eindrücklich, wie einzelne Personen zu willigen Werkzeugen autoritärer Propaganda werden können. Gleichzeitig verzichtet die Journalistin auf übertriebene Dramatik und betont zu Recht die Unschuldsvermutung im laufenden Ermittlungsverfahren. Die gesellschaftliche Relevanz ist hoch, da der Fall exemplarisch für die hybriden Bedrohungen steht, denen westliche Demokratien ausgesetzt sind.