Sternstunde Philosophie: Was Gaza für Israel, Palästina und die Welt bedeutet
SRF-Sternstunde diskutiert mit israelischem Politologen und deutscher Nahostexpertin über Auswege aus der Gaza-Gewalt und warum Empathie mit Zivilisten im israelischen Diskurs kaum Platz hat.
Sternstunde Philosophie
12 min read3694 min audioIn der SRF-Sternstunde-Philosophie-Folge "Gaza: Denkwege aus der Gewalt" blicken Moderator Wolfram Eilenberger und seine Gäste, die Nahost-Expertin Muriel Asseburg und der in Israel lebende Politologe José Brunner, zwei Jahre nach der Attacke der Hamas auf Israel zurück und diskutieren mögliche Auswege aus der anhaltenden Gewaltspirale. Brunner beschreibt eine tiefe gesellschaftliche Entfremdung in Israel: Wer Empathie für palästinensische Zivilisten äußere, stehe im gesellschaftlichen Diskurs nicht mehr wirklich Platz. Asseburg betont, dass bereits unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 klar gewesen sei, dass Israels Antwort „sehr massiv“ ausfallen würde, weil die Gesellschaft den Angriff weitgehend als „Progrom“ lese und das Militär zugleich gedemütigt sei. Beide Gäste zeigen sich überrascht vom Ausmaß der Zerstörung im Gazastreifen, etwa durch Hungersnot und die systematische Vernichtung von Lebensgrundlagen. Sie diskutieren, ob das Vorgehen tatsächlich neue qualitative Schranken überschreite oder ob es sich lediglich um eine Eskalation bereits bekannter Mittel handle, etwa durch den Einsatz von KI bei der Zielauswahl. Neue sei zudem die regionale Dimension: Israel sieht sich gleichzeitig an mehreren Fronten bedroht und fühle sich vollständig eingekreist.
## Einordnung
Die Sendung präsentiert sich als anspruchsvolle Talkrunde mit klarem Fokus auf humanitäres Völkerrecht und politische Analyse. Die Gesprächsführung bleibt weitgehend neutral, wendet aber keine harte Konfrontation an, wenn unbelegte oder einseitige Behauptungen fallen. So bleibt etwa die pauschale Behauptung Brunners, dass in Israel ein „totales Empathieverbot“ herrsche, unwidersprochen. Auch die Wortwahl des Moderators („barbarischer Überfall“) zeigt eine implizite Wertung. Interessant ist, dass weder eine palästinensische Stimme eingeladen wurde noch eine juristische Expertise zum Vorwurf des Völkermords vertreten ist; stattdessen bleibt die Diskussion zwischen zwei israelisch-europäischen Positionen eingespannt. Die Folge liefert zwar differenzierte Einblicke in israelische Debatten, spiegelt aber nicht die betroffenen palästinensischen Perspektiven wider. Wer fundiert über die aktuelle Eskalation informiert werden will, erhält hier eine gute Einführung – wer vollständige Perspektivenvielfalt erwartet, sollte ergänzende Quellen konsultieren.