L'esprit public: Israël - Palestine quel avenir deux ans après le 7 octobre ?
France-Culture-Debatte über den Nahost-Konflikt zwei Jahre nach dem 7. Oktober – mit spannenden Einblicken, aber wenig palästinensischer Stimme.
L'esprit public
11 min read3711 min audioIn der France-Culture-Sendung "L'Esprit public" diskutieren die Politolog:innen Ziad Majed und Amélie Férey, der Geopolitologe Dominique Moïsi sowie der Journalist Michel Tobmann zwei Jahre nach der Hamas-Attacke vom 7. Oktober 2023 über den Nahost-Konflikt. Die Sendung wirft einen umfassenden Blick auf die Lage in Gaza, die israelische Gesellschaft, den Trump-"Friedensplan" und mögliche Perspektiven für Palästina. Die Gesprächsräume sind geprägt von emotionalen Schilderungen, geopolitischen Analysen und dem Bemühen um eine differenzierte Betrachtung des komplexen Konflikts.
### 1. Israels Gesellschaft stehe zwischen Hoffnung und Stillstand
Michel Tobman schildert, dass die israelische Gesellschaft seit dem 7. Oktober 2023 in einer Art "Zustand der Erstarrung" verharre. Die wöchentlichen Kundgebungen auf dem Hostage Square seien zugleich Ort kollektiver Trauer und Symbol für die "angehaltene Uhr" des Landes. Nach der Ankündigung einer möglichen Einigung über ein Abkommen herrsche unter vielen Israelis eine "zerbrechliche Hoffnung", endlich "den 7. Oktober hinter sich lassen" zu können. Dennoch gebe es nur eine Minderheit, die sich für zivile palästinensische Opfer einsetze.
### 2. Trump beanspruche historische Bedeutung für seinen Plan
Dominique Moïsi erklärt, US-Präsident Donald Trump stelle seinen 20-Punkte-Plan für Gaza als "größten Akt der letzten 3000 Jahre" dar. Trump verfolge dabei offenbar auch innenpolitische Ziele: Sollte die Freilassung aller Geiseln gelingen, würde dies seine Glaubwürdigkeit stärken und könnte als Schritt Richtung Friedensnobelpreis gewertet werden. Die US-Bevölkerung fände laut Umfragen das Nahost-Thema wesentlich spannender als den Ukraine-Konflikt.
### 3. Die palästinensische Perspektive bleibe an den Rand gedrängt
Ziad Majed kritisiert, dass der Fokus westlicher Medien und Politik meist auf israelischen Opfern und Forderungen liege. Die palästinensische Seite werde selten als gleichberechtigte Partei wahrgenommen. Die Zahl der palästinensischen Toten (über 66.000 seit Oktober 2023) finde kaum angemessene Erwähnung. Diese strukturelle Ungleichheit der Perspektiven erschwere eine gerechte Konfliktlösung.
### 4. Die internationale Gemeinschaft setze auf wirtschaftliche Anreize
Amélie Férey betont, dass westliche Staaten zunehmend auf wirtschaftliche Perspektiven setzten, um eine Lösung zu erreichen. So würden bereits internationale Investoren über mögliche Wiederaufbauprojekte in Gaza beraten. Gleichzeitig gebe es kaum konkrete politische Schritte, um die Grundfragen wie die Blockade, die Gebietsfragen oder die Rechte palästinensischer Flüchtlinge anzugehen.
### 5. Die Zukunft Palästinas bleibe ungewiss
Die Diskutierenden einigen sich darauf, dass die jüngsten Anerkennungen des palästinensischen Staates durch mehrere Länder (darunter Frankreich) zwar symbolisch wichtig seien, aber ohne klare Verhandlungsperspektive mit Israel kaum nachhaltige Wirkung entfalten würden. Die Gefahr bestehe, dass Gaza und die Westbank weiter auseinanderdriften und eine echte palästinensische Eigenstaatlichkeit in weite Ferne rücke.
## Einordnung
Die Sendung positioniert sich als anspruchsvolle, aber letztlich doch eurozentrierte Debatte. Die Expert:innen bieten viele Einsichten in geopolitische Kalküle und Sicherheitsfragen, doch palästinensische Stimmen fehlen nahezu vollständig. Die Diskussion bleibt eingebettet in westliche Sicherheits- und Wirtschaftslogik, während Fragen nach palästinensischer Souveränität oder nach israelischer Verantwortung für völkerrechtswidrige Praktiken nur am Rande auftauchen. Besonders auffällig: Die hohe Opferzahl palästinensischer Zivilpersonen wird zwar genannt, aber nicht als zentrale moralische und politische Herausforderung diskutiert. Stattdessen dominiert die Frage, wie der Konflikt für die Beteiligten "bewältigt" werden kann, ohne die strukturelle Machtungleichheit grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Expert:innen bleiben in ihrer Analyse weitgehend innerhalb eines etablierten sicherheitspolitischen Rahmens, der kaum Raum für radikale Neudenken lässt. Die Sendung bietet Hintergrundwissen und differenzierte Analysen, verharrt aber letztlich in einer Perspektive, die israelische Sicherheitsinteressen stärker gewichtet als palästinensische Rechte und Lebensrealitäten.