11KM: der tagesschau-Podcast: Unbequeme Ermittlungen: Die Jagd nach den Nord-Stream-Saboteuren
11KM rekonstruiert die Festnahme des mutmaßlichen Nord-Stream-Saboteurs und zeigt, warum viele NATO-Staaten die Aufklärung nicht vorantreiben wollen.
11KM: der tagesschau-Podcast
33 min read1527 min audioIm ARD-Podcast „11KM“ spricht Moderatorin Elena K. mit WDR-Investigativjournalist Florian Flade über die Festnahme des Ukrainers Serhii K., der als Koordinator des Sabotagekommandos gilt, das 2022 die Nord-Stream-Pipelines zerstört haben soll. Flade skizziert detailliert die Ermittlungslage: DNA-Spuren auf der Yacht „Andromeda“, gefälschte rumänische Pässe, echte ukrainische Pässe auf falsche Namen, Transporte von mutmaßlichen Komplizen durch Polen. Er deutet an, dass ukrainische Geheimdienststrukturen involviert sein könnten, ohne belastbare Beweise für westliche Hilfe zu liefern. Politische Brisanz entsteht, weil Polen einen weiteren Tatverdächtigen nicht festnahm und die Bundesregierung zwischen Rechtstaatlichkeit und Bündnistreue balanceieren muss. ### Erste Festnahme nach drei Jahren Die deutschen Ermittler:innen hätten Ende August 2025 auf einem Campingplatz bei Rimini den 49-jährigen Ukrainer Serhii K. festnehmen lassen. Laut Flade gelte er „als Kopf des Sabotage-Teams“, das mit der Yacht „Andromeda“ Sprengsätze an die Pipelines anbrachte. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, „in leitender Funktion“ gehandelt zu haben. ### Indizien für staatliche ukrainische Beteiligung Flade berichtet, westliche Geheimdienste hätten „sehr konkrete Hinweise“ auf ukrainische Planungen geliefert, noch bevor die Lecks entstanden. Die Täter:innen reisten demnach mit echten, von staatlichen Stellen ausgestellten ukrainischen Pässen unter falschen Namen, was auf „starke Unterstützung von staatlichen ukrainischen Stellen“ hindeute. ### Polens Widerstand gegen deutsche Ermittlungen Ein weiterer ukrainischer Taucher, Wolodimir Z., sei 2024 in Polen trotz deutschen Haftbefehls nicht festgenommen worden; er floh mutmaßlich in einem ukrainischen Diplomatenfahrzeug. Flade sieht darin ein Zeichen, dass die polnische Regierung „kein großes Interesse“ an vollständiger Aufklärung habe, weil sie Nord-Stream „im Kern für richtig“ halte. ### Deutsches Dilemma zwischen Recht und Politik Die Bundesregierung versuche, Unterstützung für die Ukraine und strafrechtliche Aufklärung zu trennen. Flade warnt, Russland könnte eine Auslieferung Serhi K.s fordern und Deutschland in einen „sehr unangenehmen“ geopolitischen Druck bringen, ähnlich wie beim Gefangenaustausch des „Tiergartenmörders“ 2024. ## Einordnung Die Sendung arbeitet journalistisch gründlich: Indizien werden sorgfältig gegenübergestellt, Spekulationen als solche gekennzeichnet und die Unschuldsvermutung hervorgehoben. Besonders gelungen ist die Einbettung in den geopolitischen Kontext; Flade zeigt, wie Staaten „Interessen“ statt „Freundschaften“ verfolgen und weshalb viele NATO-Partner das Verschwinden der Pipeline nicht betrauern. Kritisch bleibt, dass alternative Erklärungen – etwa eine mögliche Beteiligung westlicher Geheimdienste – nur vage durch Gerüchte angedeutet werden, ohne belastbare Belege. Die Expertise des Reporters verleiht der Erzählung Autorität, doemanchmal wirkt die Darstellung so, als sei der ukrainische Staat alleinige Quelle der Sabotage bereits erwiesen; tatsächlich laufen Gerichtsverfahren noch. Insgesamt liefert „11KM“ eine informative, differenzierte und spannend aufbereitete Rekonstruktion eines Falls, der sich politisch so heikel präsentiert, dass viele Beteiligte lieber nicht alle Fragen klären wollen.