Víðsjá: Grjótmulningsstöðin á Höfða, arkitektúr og fötlun og Svava Jakobsdóttir
Kulturpodcast über das bedrohte Industriedenkmal Grjótmylnustöð und die Notwendigkeit inklusiver Architektur in Island.
Víðsjá
9 min read3152 min audioDer isländische Kulturpodcast "Vítt og breitt" widmet sich in dieser Folge dem umstrittenen Denkmalschutz in Reykjavík. Die Moderator:innen Halla Harðardóttir und Melkorka Ólafsdóttir führen Hörer:innen durch das Projekt "Gebäude, die laut Bebauungsplan verschwinden sollen". Im Fokus steht die 1930 erbaute Grjótmylnustöð ("Gufuskipið") am Höfði, eine von Staatsbaumeister Guðjón Samúelsson entworfene Industriebrache, die als Notstandsprojekt in der Großen Depression entstand und heute als Abrisskandidat gilt. Die Denkmalpflegerin Henný Hafsteinsdóttir erklärt deren historische Bedeutung und das Spannungsfeld zwischen Verfall, Privatbesitz und städtischem Gedächtnis. Ergänzt wird die Sendung durch einen Essay des Architekten Óskar Arnórsson über barrierefreies Bauen, in dem er Inklusion als ethische Pflicht begreift und universelles Design propagiert.### 1. Die Grjótmylnustöð sei ein "seltsames Schiff", das nie für die Ewigkeit geplant war, aber Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden sei. "Es war damals einfach so, dass man sich an ein paar Projekte machte und sie dann einfach stehen ließ."### 2. Das Gebäude stelle ein Beispiel für Krisenarchitektur dar: in der Weltwirtschaftskrise als Beschäftigungsprojekt errichtet, habe es Hunger und Arbeitslosigkeit bekämpft und damit "große wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Reykjavík" gehabt.### 3. Trotz historischer Relevanz (Entwurf durch den einflussreichsten Staatsbaumeister Islands) drohe Abriss, weil es sich in Privatbesitz befinde und kein rechtskräftiger Denkmalschutz bestehe.### 4. Óskar Arnórsson fordere eine radikale Neujustierung: Barrierefreiheit sei "nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch eine ethische und gesellschaftliche Verantwortung". Universelles Design solle Standard werden.### 5. Die Diskussion um das "Gufuskip" zeige das Spannungsfeld auf, in dem sich Islands jungere Stadtgeschichte befinde: zwischen Modernisierung, Privatinteressen und dem Wunsch, bauliche Zeugnisse der Krisenzeit zu bewahren.## Einordnung: Die Sendung positioniert sich klar für Erhalt und Teilhabe. Die Moderator:innen vermeiden es jedoch, konkrete politische Forderungen zu stellen; sie dokumentieren eindrucksvoll, lassen aber die Frage offen, wie Denkmalschutz in einem liberalen Eigentumsrecht funktionieren kann. Der Essay über Inklusion bleibt an der Oberfläche: zwar benennt Óskar Arnórsson die richtigen Begriffe (Vielfalt der Behinderungen, universelles Design), doch fehlen konkrete Beispiele, Normen oder internationale Vergleiche. Die Folge wirkt wie eine sanfte Erinnerung an kulturelles Gedächtnis und soziale Verantwortung – unterhaltsam, aber ohne Druck auf Entscheidungsträger:innen. Wer tiefer in Islands Umgang mit Industriedenkmälern oder barrierefreiem Bauen einsteigen will, muss woanders weitersuchen.