Bilderuniversum: Bilderuniversum No. 7 mit Roland Meyer
Eine scharfe Analyse, wie KI-Bilder unsere Wahrnehmung von Wahrheit verändern und wessen Interessen sie wirklich dienen.
Bilderuniversum
10 min readIn diesem Interview analysiert der Bild- und Medienwissenschaftler Roland Meyer die tiefgreifenden Auswirkungen von KI-generierten Bildern auf Gesellschaft und Kultur. Er argumentiert, dass diese Bilder keine Abbildungen der Realität seien, sondern Visualisierungen sprachlicher Konzepte – "Bilder von Bildern", die auf Lesbarkeit und generische Muster optimiert sind. Dadurch verschiebe sich das Verständnis von Wahrheit: Synthetische Bilder würden nicht mehr als Fälschung, sondern als Visualisierung "gefühlter Wahrheiten" oder symbolische Darstellungen realer Ereignisse akzeptiert, wie das Beispiel brennender Hollywood-Zeichen während der Waldbrände in Kalifornien zeige.
Meyer beschreibt generative KI als strukturell konservativ und nostalgisch, da sie auf Daten aus der Vergangenheit trainiert wird und somit deren ästhetische Klischees sowie rassistische und sexistische Stereotype reproduziert. "Die vermeintliche Zukunftstechnologie dient daher häufig weniger der Visualisierung möglicher Zukünfte als der Produktion alternativer Vergangenheiten", so Meyer. Historizität werde dabei zu einem rein ästhetischen Phänomen, einem Stil oder "Vibe", losgelöst von tatsächlichen Ereignissen. Die spezifische Ästhetik von KI-Bildern sei zudem ein direktes Produkt des Plattformkapitalismus, optimiert durch "Human Feedback", um in den Reaktionsökonomien sozialer Medien maximale Aufmerksamkeit zu erzeugen, was sich im Phänomen des "AI Slop" manifestiere.
Abschließend zeichnet Meyer ein düsteres Bild der Kosten dieser Technologie. Er kritisiert die rücksichtslose Ausbeutung natürlicher Ressourcen, die Entwertung kreativer Arbeit und die prekären Arbeitsbedingungen von Data-Worker:innen im globalen Süden. Die enorme Macht- und Kapitalkonzentration bei wenigen Tech-Konzernen, die sich laut Meyer mit autoritären politischen Kräften verbünden, stellt für ihn eine fundamentale Bedrohung dar. Sein Fazit ist unmissverständlich: "Die rücksichtslose Expansion dieser Firmen ist daher auch ein Angriff auf die Demokratie."
## Einordnung
Der Newsletter präsentiert eine pointierte, medienwissenschaftlich fundierte Kapitalismuskritik am Phänomen der generativen KI. Roland Meyer vertritt eine klar definierte Perspektive, die Technologie nicht als neutrales Werkzeug, sondern als Produkt spezifischer Macht- und Wirtschaftsstrukturen begreift. Stimmen aus der Tech-Industrie oder von KI-Befürworter:innen kommen nicht zu Wort, was den Text zu einer einseitigen, aber argumentativ dichten Anklage macht. Die implizite Annahme ist, dass die ästhetischen Eigenschaften von KI-Bildern untrennbar mit ihrer ausbeuterischen Produktionsweise und ihrer Funktion im Überwachungskapitalismus verbunden sind.
Das Framing ist konsequent kritisch und entzaubert den Hype um KI als kreative Zukunftstechnologie. Stattdessen wird sie als nostalgische, reaktionäre und demokratiegefährdende Kraft dargestellt. Argumentative Schwächen sind kaum auszumachen, da der Text als Experteninterview eine kohärente Sichtweise darlegt, anstatt einen ausgewogenen Diskurs abzubilden. Die Stärke liegt in der Verknüpfung von ästhetischer Analyse mit knallharter politischer Ökonomie.
Der Newsletter ist für alle Leser:innen empfehlenswert, die eine tiefgehende, kritische Auseinandersetzung mit KI suchen, die über oberflächliche Debatten um "Deepfakes" hinausgeht. Er liefert eine scharfe Analyse für jene, die verstehen wollen, wie Technologie, Ästhetik und Macht zusammenhängen.