Der Podcast der "Blätter für deutsche und internationale Politik" behandelt die Rückkehr der Machtpolitik in Europa angesichts des Ukraine-Kriegs und der US-Politik unter Trump. Albrecht von Lucke, Mitherausgeber der Blätter, sieht Europa in einer Zeitenwende: Die Illusion vom "Ende der Geschichte" und der Durchsetzung von Völkerrecht durch liberale Demokratien habe sich zerschlagen. Stattdessen kehre der Glaube zurück, dass das Recht des Stärkeren gelte. Die USA unter Trump und auch danach verfolgten primär eigene Interessen, was eine europäische Emanzipation erforderlich mache – stärkere Verteidigung, Diplomatie und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Die Ukraine habe diesen Prozess beschleunigt, indem sie die deutsche Politik grundlegend veränderte. ### Die Rückkehr der Machtpolitik als historische Zäsur Von Lucke argumentiert, dass Europa die "dunkle Zeit der Staatenkriege" hinter sich gewähnt habe, doch nun erkenne: "wir sind zurückgetreten in eine Konkurrenz der Großmächte". Die Annahme, dass Konflikte über Recht statt über Faustrecht geregelt würden, sei erschüttert. Dies sei kein temporäres Phänomen, sondern eine fundamentale Verschiebung: "die Rückkehr der Machtpolitik ist letztlich eine Art Selbstverständigung darüber, dass wir die alten Muster der Gewalt wieder erkennen müssen." ### Wertekonflikt statt reine Geopolitik Der Konflikt werde nicht nur territorial ausgetragen, sondern als Systemfrage: "Welches System sich durchsetzen wird". Putin stelle der liberalen Demokratie seine autokratische Form entgegen, China biete ein alternatives Modell. Der Westen versuche unter Führung der USA, seine Werte durchzusetzen und andere in die Defensive zu drängen – ein Konflikt, der "noch lange Zeit" begleiten werde. ### Europas Selbstständigkeitsdrang als Konsequenz Die USA verstünden sich nicht mehr als Garanten einer Weltordnung, sondern verfolgten eigene Interessen. Dies zwinge Europa zur "Emanzipation": "wir brauchen eine Stärkung Europas, um sozusagen auch eine eigene Stimme zu haben und uns nicht mehr nur an den USA zu orientieren". Notwendig seien stärkere europäische Verteidigung, Rüstungsindustrie, Diplomatie und Wirtschaft. ### Ukraine als Katalysator für deutsche Politikwende Der Angriff auf die Ukraine habe eine "Zeitenwende" ausgelöst und die Einsicht, dass "Wandel durch Handel" ein Trugschluss war. Deutschland habe seine Politik grundlegend verändert: massiv erhöhte Rüstungsausgaben, Abkehr von bisheriger Russland- und Chinapolitik – "ein Bruch mit der bisherigen Außen- und Sicherheitspolitik". ### Europäische Einheit als unverzichtbare Voraussetzung Konkrete Schritte bleiben vage: Die europäische Einheit sei "noch nicht so stark, wie sie sein müsste", was wiederholt wird ohne konkrete Umsetzungsvorschlagen. Die Herausforderung liege in fehlender europäischer Geschlossenheit. ### Fehlende Perspektiven und unhinterfragte Annahmen Auffällig ist die westlich-zentrierte Perspektive: Andere Akteure wie der Globale Süden, Chinas Rolle in anderen Weltregionen oder europäische Verantwortung in früheren Konflikten bleiben ausgeblendet. Kritisch bleibt auch, dass militärische Aufrüstung als selbstverständliche Antwort präsentiert wird, ohne alternative Friedensstrategien zu diskutieren. ## Einordnung Albrecht von Lucke liefert eine klare Analyse des geopolitischen Umbruchs, der jedoch in westlich-eurozentrischen Denkmustern verhaftet bleibt. Seine Argumentation folgt einer linearen Erzählung vom "Ende der Geschichte" zurück zur Machtpolitik, wobei die eigenen westlichen Werte als universell gültig dargestellt werden. Kritisch ist, dass militärische Aufrüstung als einzig logische Konsequenz präsentiert wird – ohne alternative Friedensstrategien, ohne die Rolle eigener Waffenexporte oder die Frage, ob mehr Waffen wirklich mehr Sicherheit bringen. Die wiederholte Formel von der "noch nicht stark genug" europäischen Einheit klingt nach Beschwörung statt Strategie. Interessant ist die Selbstkritik gegenüber der deutschen Russland- und Chinapolitik, doch bleiben strukturelle Probleme der europäischen Außenpolitik unbenannt: Die Frage nach europäischen Interessen in anderen Weltregionen, die Verantwortung für vergangene Interventionen oder warum „Wandel durch Handel" scheiterte. Der Podcast transportiert eine elitäre Deutungshoheit: Internationale Politik wird als Schachspiel der Großmächte dargestellt, während zivile Gesellschaft, globale Solidarität oder nachhaltige Konfliktlösungen keine Erwähnung finden. Die Hörer:innen bekommen eine durchaus stringente Analyse geliefert, die jedoch in alten Denkmustern verharrt und keine wirklich neuen Perspektiven für eine europäische Friedenspolitik entwickelt.