Politics Weekly UK: Labour’s Lucy Powell: ‘We’ve taken our progressive voters for granted’
Ex-Ministerin Lucy Powell über Farage, interne Fehler und die Zukunft von Keir Starmer.
Politics Weekly UK
41 min read1796 min audioJohn Harris vom Guardian begrüßt Lucy Powell, Labour-Abgeordnete und ehemalige Commons-Fraktionschefin, die sich kurz nach ihrer Entlassung im September 2025 für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden bewirbt. Im Gespräch analysiert sie, warum Labour in Umfragen hinter Reform UK liegt, und fordert eine klar progressive Gegenoffensive zu Nigel Farages „Megaphon-Politik“. Powell kritisiert, dass die Regierung Farages Erzählung zu oft habe aufkommen lassen und plädiert für eine offensivere Werte-Kommunikation, die wirtschaftliche Ungleichheit statt Migration ins Zentrum rückt. Sie räumt ein, dass die „Island-of-Strangers“-Rede von Starmer nicht die Labour-Werte widerspiegelte, betont aber, eine glaubwürdige Strategieänderung sei noch möglich. Zugleich warnt sie davor, progressive Wähler:innen zu vernachlässigen, nennt die Rücknahme bei Winter-Heiz-Zuschlägen und Pflegegeld-Kürzungen „selbst eingestandene Fehler“ und fordert ein langsames, konsultatives Vorgehen bei Reformen des Sonderpädagogik-Systems. Trotz heikler Kabinettsentlassung hält sie Starmer für überlebensfähig, sieht aber „kulturellen Reset“ nötig: mehr Durchlässigkeit für unterschiedliche Meinungen und stärkere Verankerung in der Bewegungsbasis. Die deutlichste Bruchlinie zeigt sich, als sie offen ausspricht, dass Regierungsgeschwindigkeit und politischer Zeitdruck nicht zusammenpassen – ein Umstand, den sie als Vollzeit-Deputy auf politischer Ebene ausgleichen will.
### 1. Labour müsse Farages Diagnose „zurückerobern“, statt ihr hinterherzutaktieren
Powell bemängelt: „We’ve too often let them frame the debate and we’re sort of chasing it tactically.“ Die Partei habe es zugelassen, dass Farage das Megaphon behalte; sie selbst wolle zeigen, dass Menschen „worse off“ seien wegen „fundamental inequalities“, nicht wegen Migration.
### 2. Die „Island-of-Strangers“-Rede habe nicht Labour-Werte transportiert
Als früheres Kabinettsmitglied bezeichnete sie Wortwahl und Botschaft als „didn’t reflect our values“; zwar habe Starmer nachträglich Bedauern geäußert, doch sei klar: „we need to wrestle back the megaphone“.
### 3. Reform bedrohe Labour von zwei Seiten – rechts und links
Powell betont, man verliere Stimmen nicht nur an Reform, sondern auch an Grüne/Liberale: „we’ve taken our progressive voters for granted as well“. Eine erfolgreiche Gegenstrategie müsse die „voter coalition“ wieder vereinen.
### 4. Eigene Entlassung sei wohl Folge interner Kritik gewesen
Sie habe unpopuläre Standpunkte eingebracht, etwa zu Pflegegeld-Kürzungen; ein konkreter Kündigungsgrund sei ihr nie genannt worden: „I can only surmise … obviously wasn’t welcome“.
### 5. Regierung habe „selbst eingestandene Fehler“ gemacht
Die Kürzung der Winter-Heiz-Zuschüsse sowie der PIP-Pläne für Menschen mit Behinderungen nannte sie „mistakes that we ourselves have admitted“. Sie seien Ausdruck von Gruppen-Denken und mangelnder Orientierung auf Geringverdiener:innen.
### 6. Demokratie stehe am „Scheideweg“, Labour habe drei Jahre, das Modell zu „beweisen“
Powell sieht eine „existential threat“ für die Demokratie durch Desinformation, Tech-Umbrüche und wirtschaftliche Unsicherheit. Die Regierung habe „basically … three years“ zu zeigen, dass progressive Politik Lebensqualität verbessert.
## Einordnung
Das Gespräch wirkt wie ein Balanceakt zwischen Loyalität und Fundamental-Kritik: Powell will Regierungsarbeit stabilisieren, ohne interne Schwächen zu beschönigen. Die Journalist:innen lassen sie weitgehend frei reden; harte Nachfragen zur konkreten Umsetzbarkeit ihrer Pläne oder zur internen Machtverteilung bleiben aus. Besonders bemerklich: Die Kritik an Starmer bleibt persönlich vage („kultureller Reset“), während sie konkrete inhaltliche Fehler benennt. Der Fokus auf Reform UK und die Auseinandersetzung mit dessen Deutungshoheit zeigt, dass Labour sich in einer Verteidigungshaltung sieht; gleichzeitig bleibt die Frage offen, wie eine glaubwürdige Gegen-Erzählung aussehen soll, ohne dass die Partei ihre eigenen Widersprüche (Migration kontrollieren vs. offene Gesellschaft) auflöst. Für Hörer:innen, die Labour hinter den Kulissen verstehen wollen, liefert die Episode Einblicke in interne Selbstzweifel; wer aber eine klare Strategie oder personelle Konsequenzen erwartet, erhält vor allem Appelle an Einheit und „Authenticity“.
Hörwarnung: Wer hier eine konkrete Roadmap oder personelle Konsequenzen erwartet, bekommt vor allem Appelle an „Authenticity“ und Einheit – tiefergehende Strategien bleiben offen.