Die «Echo der Zeit»-Folge «Atomare Bedrohung in der Ukraine» begibt sich mit Judith Huber auf akustische Recherche in die verstrahlte Sperrzone von Tschernobyl und beleuchtet die atomare Gefahr im Krieg. Neben Huber kommen der Fotograf Anton Jochimenko, der Strahlenschutzexperte Sergey Kirejev, der Ingenieur Anton Kuteko und der Atomexperte Anatoli Nasowski zu Wort. ### Russische Truppen hätten sich im höchst verstrahlten Roten Wald verschanzt Der Guide Jochimenko berichtet: "Hier hätten die Besatzer einen provisorischen Checkpoint errichtet." Die Soldaten hätten sich in einem Waldstück eingegraben, das 1986 besonders stark radioaktiv verseucht worden sei. Überreste von Schützengräben und Konservendosen seien zurückgeblieben, zudem würden nun Minen das Gebiet gefährden. ### Ukrainisches AKW-Personal sei 20 Tage lang von russischen Truppen eingekreist worden Ingenieur Kuteko schildert: "Es war meine letzte Nachtschicht, doch statt nur einer Nacht dauerte sie 20 Tage." Er und seine Kolleg:innen hätten den Reaktor trotz Besatzung weiter betreut und dabei auf Stühlen geschlafen. Die Versorgung sei nur knapp über Dieselgeneratoren aufrechterhalten worden. ### Russland nutze Tschernobyl als Propagandakulisse für "schmutzige Bombe"-Vorwürfe Strahlenschützer Kirejev erinnert: "Ein Labor mit radioaktiven Proben [sei] von russischen Kriegskorrespondenten als Indiz dafür präsentiert worden, dass die Ukraine eine schmutzige Bombe baue." Die Anlage sei geplündert und als Bühne für Desinformation genutzt worden. ### Die IAEA reagiere zu zögerlich auf russische Verstösse Professor Nasowski kritisiert: "Die IAEA habe sehr schwach reagiert." Deren Generaldirektor habe lediglich "ernste Besorgnis" ausgedrückt, Russland aber nicht als Aggressor benannt. Nasowski vermutet, dass finanzielle Abhängigkeiten eine Rolle spielten: "Ich verstehe, Geld entscheidet alles. Der zweitwichtigste Geldgeber der IAEA ist Russland." ### Die neue Schutzhülle über Tschernobyl sei durch eine Drohne beschädigt worden Kuteko zeigt auf "ein gut sichtbares Loch" und erklärt: "Dort schlug am 14. Februar dieses Jahres eine Kamikaze Drohne ein." Die 2,1 Milliarden teure Hülle erfülle nun nicht mehr ihre Funktion, eine Reparatur sei offen. ## Einordnung Die Sendung arbeitet mit klassischen Mitteln investigativer Recherche: persönliche Beobachtung, Expertengespräche und konkrete Belege wie Messdaten und Augenzeugenberichte. Die Sprecher:innen erhalten viel Raum für differenzierte Schilderungen, wobei die Journalistin durch gezielte Nachfragen Struktur bringt. Besonders bemerkenswert ist die klare Benennung von Verantwortlichkeiten – Russland wird als Aggressor identifiziert, ohne dabei in plumpe Schuldzuweisungen zu verfallen. Die Kritik an der IAEA basiert auf nachvollziehbaren Argumenten zu Interessenkonflikten. Die Erzählweise verzichtet auf übertriebene Dramatik, obwohl das Thema hochbrisant ist. Stattdessen wirkt die dokumentierte Bedrohlung umso eindrücklicher, weil sie durch nüchterne Fakten und persönliche Schicksale vermittelt wird. Die Perspektive bleibt klar ukrainisch, wodurch westliche Hörer:innen einen unmittelbaren Zugang zur gelebten Realität des Krieges erhalten.