Bern einfach. Das Wichtigste zum Tag.: Spezial zum 100. Geburtstag von Margaret Thatcher (1925-2013)
Konservative Hommage auf Margaret Thatcher ohne kritische Distanz oder alternative Perspektiven.
Bern einfach. Das Wichtigste zum Tag.
27 min read1696 min audioDie Episode „Wer war Margaret Thatcher? Was machte sie aus und was sind ihre Prinzipien? Und was bleibt von ihr?" ist eine lockere, sich auf persönliche Eindrücke stützende Rückschau auf das Leben der britischen Premierministerin. Moderiert wird sie von Markus Somm (Chefredaktor „Nebelspalter“) im Gespräch mit den Historiker:innen Oliver Zimmer (Universität Zürich) und Mike Bacher (Rechtshistoriker, Engelberg). Das Gespräch findet in der Lounge eines Fünf-Sterne-Hotels statt, was der Atmosphäre eines Stammtischgesprächs unter Freunden gleichkommt.
### 1. Thatcher habe als „conviction politician“ bis zuletzt an ihren Überzeugungen festgehalten – auch, als sie 1990 mit ihrer Europapolitik isoliert gewesen sei. „Man kann sagen, sie habe am Schluss gewusst, dass es eng werde, wenn sie das so durchziehe – und trotzdem habe sie die politische Linie gehalten“ (Oliver Zimmer).
### 2. Ihre wirtschaftspolitische „Rosskur“ habe Grossbritannien aus der 1970er-Jahre-Stagnation geführt: Entflechtung der Gewerkschaften, Privatisierungen und Deregulierung hätten aus dem „kranken Mann Europas“ wieder eine führende Wirtschaftsmacht gemacht. „Mit der Rosskur, wo sie als Premierministerin gemacht hat, hätte sie dazu beigetragen, dass Grossbritannien wieder wettbewerbsfähig ist“ (Mike Bacher).
### 3. Die These, Thatcher habe alles „dogmatisch“ privatisiert, wird relativiert: Beim britischen Eisenbahnsystem habe sie angeblich gemerkt, „that’s a privatisation too far“ – sie sei also pragmatisch gewesen. „Es sei durchaus nicht dogmatisch gewesen, dass man nicht alles privatisiert“ (Oliver Zimmer).
### 4. Ihre Europapolitik sei kein Wandel vom Pro-Europa-Kurs gewesen, sondern eine Reaktion auf den Wandel der EG zur politischen Union. Sie habe früh erkannt, dass „Delegation von politische Aufgabe an europäische Institutionen … dem britische Volkscharakter widerspreche“ (Mike Bacher).
### 5. Thatchers Legende basiere auf der Mischung aus prägender Wirtschaftspolitik, rhetorischer Schärfe und symbolträchtigen Momenten wie der Bezeichnung „Iron Lady“. „Sie habe Weltzeichen setzen können“ (Mike Bacher).
## Einordnung
Die Sendung versteht sich als unterhaltsames, konservatives Gedenken, nicht als kritisch-analytische Bilanz. Starke Behauptungen („Rosskur habe Grossbritannien gerettet“) bleiben ohne Gegenrede; Arbeitslosigkeit, soziale Sprengung oder nordirischer Konflikt kommen kaum vor. Die Wissenschaftler:innen fungieren eher als bestätigende Gesprächspartner denn als differenzierte Gutachter. Wer eine Auseinandersetzung mit den sozialen Kosten des Thatcherismus oder mit feministischen, gewerkschaftlichen oder linksliberalen Perspektiven sucht, wird hier nicht fündig. Stattdessen wird ein Held:innen-Narrativ zelebriert, das dem Selbstbild des „grössten nicht-linken Podcasts der Schweiz“ entspricht. Inhaltlich problematisch ist vor allem die pauschale Abwertung der EU als „politische Union“, die dem britischen Rechtspopulismus Vorschub leistet, ohne die damaligen Integrationsvorteile oder die heutige Brexit-Problematik zu reflektieren. Hörer:innen, die sich für konservative Geschichtsdeutung ohne wissenschaftliche Distanz begeistern können, sind hier genau richtig – wer eine facettenreiche Auseinandersetzung erwartet, sollte andere Quellen wählen.