Die preisgekrönte »Parlamentsrevue« (Grimme Online Award 2025) begleitet in Folge 55 die 30.–32. Bundestagssitzung (8.–10. Oktober 2025). Moderiert wird die Folge wie immer von Sabrina, die betont, weder Journalistin noch Expertin zu sein, sondern gemeinsam mit den Hörer:innen zu verstehen, „was in diesem Bundestag passiert“. Im Fokus stehen: das Tariftreuegesetz (erste Lesung), die grundlegende Neufassung des MAD-Gesetzes, die Ergänzung des „Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes“ um Lachgas und zwei K.O.-Tropfen-Chemikalien sowie die mit 100 Mrd. Euro dotierten Schlussgesetze zum „Sondervermögen Infrastruktur“. Weitere Themen sind eine Reihe von Gesetzen in erster Lesung (u.a. Bauturbo, Pflegeassistenz-Ausbildung, Agrardiesel-Trojaner) und zwei weitere Immunitätsaufhebungen für AfD-Abgeordnete. ### 1. Tariftreuegesetz soll Lohndumping bei öffentlichen Aufträgen stoppen Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) begründet das Vorhaben mit dem Ziel, „dass wir mit Steuergeld keinen Lohndumping betreiben“. Nur noch 50 % der Beschäftigten seien tarifgebunden – das wolle man ändern. Künftig müssten Auftragnehmer ab 50 000 € Netto-Auftragswert Tariflohn oder gleichwertige Bedingungen garantieren. Ricarda Lang (Grüne) kritisiert die Schwelle als zu hoch und moniert Ausnahmen für Bundeswehr-Beschaffung sowie fehlende Stichprobenkontrollen. Auch die Streichung von Dokumentationspflichten für Sub- und Leiharbeitsfirmen wird attackiert. ### 2. MAD bekommt mehr Befugnisse für Cyber-Abwehr und Drohnen-Jagd Das 1990er-MAD-Gesetz wird komplett überarbeitet. Verteidigungsminister Boris Pistorius nennt drei Schwerpunkte: internationale Zusammenarbeit (z.B. Brigade Litauen),Cyber-Abwehr („eigenständige Maßnahmen bei IT-Angriffen“) sowie erweiterte Befugnisse der Feldjäger zum Anhalten verdächtiger Personen auch außerhalb militärischer Liegenschaften, um Drohnenüberflüge besser verfolgen zu können. Konstantin von Notz (Grüne) fordert parallel eine umfassende Nachrichtendienstreform zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle. ### 3. Lachgas und K.O.-Tropfen-Chemikalien in neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz überführt Gesundheitsministerin Nina Warken will Lachgas, GBL und BDO künftig unter das NPSG fassen. Reinform und Zubereitungen über 20 % sollen verboten sein; Industrieanwender:innen dürfen weiter unter Auflagen verwenden. Ates Gürpinar (Die Linke) hält das für „Augenwischerei“, da eine unabhängige Evaluation des NPSG keine messbare Wirkung auf Konsum und Verfügbarkeit erbracht habe. Die Bundesregierung erhofft sich vor allem eine Verknappung für Konsument:innen und Täter:innen, die K.O.-Tropfen einsetzen. ### 4. 100-Milliarden-Programm für Länder und Kommunen verabschiedet – Deckel bleibt klein Mit dem „LuKIFG“ erhalten die Länder 100 Mrd. Euro (verteilt bis 2036) für Infrastruktur; Bund übernimmt Zins und Tilgung. Kritiker:innen wie Sascha Wagner (Die Linke) rechnen vor: Bei 11 000 Kommunen bleibe pro Jahr kaum mehr als ein „Tropfen auf den heißen Stein“, während der kommunale Investitionsstau laut KfW bei über 216 Mrd. Euro liege. Die im Grundgesetz eigentlich vorgesehene Zusätzlichkeitsklausel wurde gestrichen – offiziell weil „zu kompliziert“. ### 5. Weitere Schnellschüsse: Einbürgerung nach drei Jahren gestrichen, Agrardiesel-Subvention als „Trojaner“ zurück Ohne Anhörung verabschiedet der Bundestag die Streichung der vereinfachten Einbürgerung bei „besonders guten Integrationsleistungen“. In einem Begleitgesetz zur Aufhebung der Freizone Cuxhaven schleust das Landwirtschaftsministerium die Wiedereinführung der Agrardiesel-Subvention ein – ein Verfahren, das in der Sendung wiederholt als „Trojaner“ kritisiert wird. Beide Themen werden von der Moderatorin als Beispiele für mangelnde parlamentarische Tiefe gebrandmarkt. ## Einordnung Die Parlamentsrevue bleibt ihrem unterhaltsamen Erklär-Format treu: knapp, persönlich, mit augenzwinkernder Empörung („Kinder, wir haben euch gleich gesagt, ihr sollt nicht jeden Scheiß auf Social Media posten“). Sabrika nutzt ihre preisgekrönte Plattform, um komplexe Gesetzespakete für Laien:innen aufzuschlüsseln – journalistisch anspruchsvolle Tiefe entsteht dabei weniger durch Recherche als durch pointierte Zusammenfassung und sarkastische Kommentierung. Die Sendung lebt von der Gegenüberstellung offizieller Regierungsrhetorik mit eigener Alltagslogik; Expert:innen oder Betroffene kommen kaum zu Wort. So bleiben etwa die Fragen, ob das neue MAD-Gesetz Grundrechtsschwächen birgt oder wie sich Tariftreue in der Praxis kontrollieren lässt, weitgehend offen. Stattdessen dominiert die Beobachter:innen-Perspektive: Was fällt auf, wer widerspricht, welche Formulierungen auffallen. Für Hörer:innen, die Bundestagsdebatten sonst nicht verfolgen, ist das ein unterhaltsamer Einstieg – wer jedoch Hintergrundanalysen, juristische Expertise oder breitere gesellschaftliche Perspektiven sucht, wird nur bedingt bedient. Die Kritik an „Trojanern“ und Bürokratie-Ausnahmen verweist auf ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber Schnellschüssen und Großprojekten; gleichzeitig bleibt die eigene Rolle als Preisträger:in unhinterfragt, obgleich der erwähnte Grimme-Online-Award-Eklat rund um Judith Scheit und die Verstrickung des Adolf-Grimme-Vereins mit dem Institut für mehr Transparenz im Journalismus selbst hätte sorgen können. Insgesamt bleibt die Parlamentsrevue ein charmantes, aber oberflächliches Panorama der Woche im Bundestag – mitunter mit Biss, aber selten mit Tiefe.