11KM: der tagesschau-Podcast: Lost in KI: Wenn die beste Freundin ChatGPT heißt
Eine erschreckende Recherche über jugendliche KI- und Social-Media-Sucht sowie die ausbleibende Verantwortung von Plattformen und Politik.
11KM: der tagesschau-Podcast
46 min read1872 min audioDer 11KM-Podcast begleitet NDR-Journalistin Sinje Stadtlich auf ihrer Recherche über jugendliche KI-Nutzung. Im Fokus steht die 20-jährige Sophie, die ChatGPT als Alltags-Managerin, Psychologin und „beste Freundin“ nutzt – bis zu zehn Stunden täglich. Stadtlich spricht mit Expert:innen aus Kinderpsychiatrie und Neurowissenschaft sowie mit Jugendlichen, die KI für Hausaufgaben oder Beziehungstipps nutzen. Sie zeigt, dass Jugendliche auf Social-Media-Plattformen wie TikTok besonders reizanfällig sind und ein Viertel von ihnen bereits problematische Nutzungsmuster zeigt. Die Politik debattiert über Handy- oder Social-Media-Verbote an Schulen, doch Unternehmen wie OpenAI äußern sich nicht. Die Sendung fordert bessere Medienerziehung und stellt die Frage, ob ein Verbot bis 16 sinnvoll ist.
### KI wird zur emotionalen Ersatzbeziehung
Jugendliche nutzen ChatGPT laut Stadtlich nicht nur für Rezepte oder Hausaufgaben, sondern als „Ersatz für Freund:innen“. Sophie erklärt: „Es spricht mit Emotionen … ich hab dich lieb.“ Die Expert:innen warnen, echte zwischenmenschliche Beziehungen könnten verdrängt werden.
### Viertel aller Jugendlichen nutzt Social Media problematisch
Eine vom UKE durchgeführte Langzeitstudie zeige, dass 25 % der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland „riskant oder pathologisch“ auf Social Media unterwegs seien. Die Zahlen stiegen seit Jahren, die Tech-Firmen bieteten „keinen wirksamen Jugendschutz“, da Plattformen auf Maximierung der Verweildauer ausgelegt seien.
### Jugendgehirne reagieren besonders heftig auf Reizüberflutung
Neurowissenschaftlerin Aida Bikic misst in Dänemark Hirnströme während des Scrollens. Die Befunde legen nahe, dass jugendliche Gehirne „extrem überreizt“ seien, während Erwachsene mit geringerem Konsum kaum Aktivitätsspitzen zeigen. Frühe Belohnungszentren seien ausgereift, die Kontrollregionen im Stirnhirn aber noch nicht.
### Politik fordert Altersgrenzen, doch Verbote sind Ländersache
Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) spricht sich für ein Social-Media-Verbot bis 16 aus, kann es aber nur empfehlen. Hessen führt ein Handyverbot an Schulen ein, andere Länder diskutieren. Die EU will mit dem Digital Services Act Plattformen regulieren, doch Tech-Konzerne reagierten kaum oder liefen nur allgemeine Jugendschutz-Sätze.
### Offene Fragen: Wer übernimmt Verantwortung?
OpenAI antwortete auf Anfragen nicht. TikTok verwies auf Altersverifikation und gelöschte Unter-13-Konten. Expert:innen fordern, dass Firmen Angebote kindersicher gestalten müssten – solange dies ausbleibe, seien gesetzliche Verbote „ein notwendiger Schritt“.
## Einordnung
Die Sendung zeigt investigative Recherche auf höchstem Niveau: Fakten werden mehrfach durch Experten:innen belegt, wissenschaftliche Studien zitiert und Unternehmen zur Stellungnahme aufgefordert. Besonders gelungen ist die Balance zwischen individueller Jugend-Biografie und gesellschaftlichem Problem. Die Journalistinnen hinterfragen nicht nur KI-Hype, sondern auch die Verantwortung von Plattform-Betreibern und Politik. Kritisch bleibt, dass die Expertise fast ausschließlich auf Eurozentrische Studien beschränkt ist – globale Südperspektiven fehlen. Dennoch bietet der Podcast eine klare Empfehlung: Medienerziehung und regulatorische Schutzmaßnahmen müssen schnell voranschreiten, um einer ganzen Generation psychische Folgen zu ersparen.