Weltspiegel Podcast: Haiti und DomRep: Eine Insel, zwei Welten
Der Weltspiegel-Podcast zeigt die brutalen Gegensätze zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik und deckt die historischen und aktuellen Gründe für Haitis Zerfall auf.
Weltspiegel Podcast
32 min read1985 min audioDer Weltspiegel-Podcast "Haiti: Überleben zwischen Gangs und Gewalt" wirft einen scharfen Blick auf die dramatische Situation Haitis im Kontrast zur prosperierenden Dominikanischen Republik. ARD-Korrespondentin Marie-Kristin Boese berichtet von ihrer Reise und der Begegnung mit Fritz, einem Haitianer, der in der Domrep als Kitesurflehrer arbeitet. Die Episode zeigt die prekäre Lage haitianischer Migrant:innen, die unter Ausbeutung und ständiger Abschiebungsgefahr leben. Expertin Katja Maurer von Medico International erläutert die historischen Gründe für Haitis Zerfall und kritisiert die internationale Doppelmoral.
### Die Gangs kontrollieren 80-90 % von Port-au-Prince
Die Sprecher:innen berichten übereinstimmend, dass kriminelle Banden den Großteil der haitianischen Hauptstadt beherrschen. Marie-Kristin Boese beschreibt: "Die schwer bewaffneten Gangs regieren 80% der Stadt. Einen Staat gibt es de facto nicht mehr." In den Notunterkünften für Vertriebene leben 3600 Menschen unter katastrophalen Bedingungen mit nur elf Toiletten und aktiven Cholera-Fällen.
### Frankreichs Kolonialschulden belasten Haiti bis heute
Katja Maurer erklärt, dass Haiti bis 1945 Entschädigungszahlungen an Frankreich leisten musste: "Haiti hatte enorme Auslandsschulden bei Frankreich, die Frankreich erhoben hat für entgangenen Gewinne der Kolonisatoren aus Sklavenarbeit und die Haiti bis Ende 1945 zurückbezahlt hat."
### Haitianer:innen werden in der Domrep systematisch ausgebeutet
Rund 700.000 Haitianer:innen arbeiten laut offiziellen Zahlen in der Dominikanischen Republik, viele ohne Papiere. Sie werden auf Baustellen und Zuckerrohrfeldern beschäftigt und leben in ständiger Angst vor Willkürabschiebungen. Unternehmer:innen nutzen die Migrationsbehörde offenbar, um Löhne zu verweigern.
### Die internationale Gemeinschaft trägt Mitschuld am Zerfall
Maurer kritisiert scharf: "Die Gelder kamen wesentlich ausländischen Hilfsorganisationen und Firmen zugute. Es gibt Untersuchungen [...] die davon reden, dass 80 Prozent der Hilfsgelder wieder zurückgeführt wurden über Gewinne oder über Gehälter." Die US-Regierung habe zudem Aids-Programme gestrichen.
### Die Zukunft Haitis liegt in transnationalen Netzwerken
Trotz der Katastrophe sieht Maurer Hoffnung in der lebendigen Kultur: "Haiti lebt von den Rücküberweisungen der ausländischen Migranten" und verfüge über eine starke kulturelle Szene, die bereitstehe, wenn sich die politische Situation ändere.
## Einordnung
Der Podcast zeigt journalistische Professionalität durch fundierte Recherche und differenzierte Perspektiven. Die ARD-Korrespondentin liefert authentische Einblicse aus erster Hand, während Expertin Maurer historische Kontexte einordnet. Besonders bemerkenswert ist die klare Benennung kolonialer Verantwortung und die Kritik an internationaler Doppelmoral. Die Machart verzichtet auf sensationsheischende Berichterstattung und bietet stattdessen nuancierte Analysen. Die Perspektive haitianischer Migrant:innen wird konsequent einbezogen, wodurch die Verflechtung beider Länder deutlich wird. Die Sendung vermeidet paternalistische Töne und räumt der haitianischen Zivilgesellschaft eigene Handlungsfähigkeit ein.