POLITICO Berlin Playbook: Machthaber: Mohammed bin Salman
POLITICO Berlin Playbook beleuchtet den Aufstieg, die Verbrechen und die PR-Strategien von Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman.
POLITICO Berlin Playbook
66 min read2338 min audioDie Sommer-Sonderfolge des POLITICO Berlin Playbook widmet sich Mohammed bin Salman (MBS). Gordon Repinski erzählt in drei Akten vom Aufstieg des 2017 mit 31 Jahren zum Kronprinzen berufenen MBS: wie er innenpolitisch Rival:innen im Ritz-Carlton einsperren und enteignen ließ („Es sollen bis zu 800 Milliarden Dollar an Werten sein“), den Krieg im Jemen begann und mit „Vision 2030“ und Neom eine post-ölkonomische Zukunft erfindet. Gleichzeitig zeigt der Podcast die brutale Kehrseite: Folter, Massenhinrichtungen und der Mord an Jamal Khashoggi („Sag deinem Chef, es ist erledigt“). Repinski spürt, wie sich westliche Politiker trotz allem wieder an MBS annähern – aus Interesse an Öl, Geld und geopolitischem Einfluss.
### MBS habe mit der Massen-Verhaftung im Ritz-Carlton 2017 über 200 mächtige Männer entmachtet und enteignet
Augenzeugen berichteten von Schlägen, Schlafentzug und Folter. Prinz Alwaleed bin Talal erklärte nur: „Wenn ich sage, es ist eine vertrauliche und geheime Vereinbarung zwischen mir und der saudischen Regierung, dann müssen Sie das respektieren.“
### Der Khashoggi-Mord werfe ein Schlaglicht auf die neue Absolutherrschaft
Die UN-Sonderberichterstatterin und ein CIA-Bericht sähen „glaubhafte Hinweise“ auf MBS’ persönliche Verantwortung. MBS selbst sagte: „I take full responsibility as a leader … since it was committed by individuals working for the Saudi government.“
### Vision 2030 und Neom erschienen als gigantisches Wetteifern gegen die Zeit
Das Projekt koste inzwischen geschätzte 8,8 Billionen Dollar und erfordere die Zwangsumsiedlung von rund 20.000 Beduinen. Kritiker warnten vor „irreparablen Schäden an Korallenriffen“.
### Westliche Politiker meiden MBS nach dem Mord – bis sie sein Öl und Geld brauchen
Joe Biden kündigte an, Saudi-Arabien werde „the outcasts that they are“, doch wenig später bat die US-Regierung Riad um höhere Förderquoten. MBS nutze OPEC Plus gezielt gegen Washingtons Interessen.
### Sport- und Entertainment-Investitionen dienen der Imagekampagne
Vom Kauf von Newcastle United über Ronaldo und Neymar bis zur WM 2034 versuche das Königreich, „mit der Macht des Geldes kulturelles Kapital und internationale Akzeptanz zu kaufen“.
### Fortschritt werde nur von oben verordnet – Forderungen von unten seien Verrat
Frauen dürfen Autofahren, doch Aktivistinnen wie Loujain al-Hathloul wurden gefoltert. „Fortschritt gibt es … nur, wenn Mohammed bin Salman ihn anordnet. Wer ihn von unten fordert, wird als Verräter behandelt.“
## Einordnung
Der Podcast folgt dem Stil einer investigativen Langform: dramaturgisch geschickt, mit reichlich Zitaten und atmosphärischem Sounddesign. Gordon Repinski verzichtet auf klassische Interviews, fungiert stattdessen als Erzähler, der die Fäden zusammenhält. Die Machart ist professionell, die Recherche breit – doch die Perspektive bleibt eindeutig westlich-liberal. Fehlende Stimmen sind saudische Bürger:innen und systemkritische Intellektuelle vor Ort. Der Fokus liegt auf Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen; wirtschaftliche Details oder innenpolitische Gegenspieler:innen treten zurück. Die Botschaft ist klar: MBS sei ein modernisierender Autokrat, dessen Charmeoffensive die Repression nicht aufhebt. Die Erzählung bedient sich dabei gelegentlich der Pathos-Keule („unvorstellbarer Barbarei“), was der Spannung dient, aber auch die Nuancen reduziert. Insgesamt liefert die Folge eine dichte, unterhaltsame Einführung – mit journalistischem Anspruch, aber ohne Anspruch auf vollständige Ausgewogenheit.
Hörempfehlung: Wer eine packende, gut recherchierte Doku über den widersprüchlichen Kronprinzen sucht, bekommt hier 35 Minuten Material – mit klarem Fokus auf Macht und Menschenrechte, weniger auf wirtschaftliche Tiefe.