Der Deutschlandfunk-Medienpodcast „Nach Redaktionsschluss“ widmet sich der Frage, ob deutsche Medien Polizeiangaben zu unkritisch übernehmen. Moderatorin Brigitte Baetz spricht mit dem Journalisten und Buchautor Mohamed Amjahid sowie dem Journalistik-Professor Tanjev Schultz. Beide bestätigen das Phänomen eines „Pro-Polizei-Vorbehalts“: Redaktionen vertrauten häufig reflexartig offiziellen Meldungen, statt sie zu hinterfragen. Als zentrale Gründe nennen sie Zeitdruck, personelle Unterbesetzung, eine Redaktionskultur des „Vertrauensvorschusses“ gegenüber Behörden sowie persönliche Nähe zwischen Journalist:innen und Polizei. Die Gesprächspartner illustrieren ihre Kritik mit zahlreichen Beispielen: der Kölner Demonstrationskesselung, Clankriminalitäts-Berichterstattung in Niedersachsen, die Berliner Silvesternacht 2022/23, der NSU-Komplex („Dönermorde“) und Fälle tödlicher Polizeigewalt. Sie fordern mehr Misstrauen, konsequenten Konjunktiv, Quellenangaben, alternative Recherchewege und eine stärkere Berücksichtigung von Betroffenenperspektiven. Zugleich räumen sie ein, dass in Routinefällen (z. B. Fahrraddiebstahl) oft keine tiefere Prüfung möglich sei. Die Professionalisierung der Polizeipresse erschwere zusätzlich die Gegenrecherche. Trotzdem erkennen sie eine wachsende Sensibilisierung in Redaktionen und der Ausbildung für ein kritischeres Polizeiecho.