Der c't uplink-Podcast präsentiert ein Interview mit Karsten Wildberger, Deutschlands erstem Digitalminister (CDU), geführt von Falk Steiner. Wildberger skizziert seine ersten 100 Tage im Amt, den Aufbau seines Ministeriums und seine Vision für digitale Souveränität. Er spricht über Kooperationen mit anderen Ministerien, den Finanzierungsvorbehalt für IT-Projekte, Bürokratieabbau und die Herausforderungen durch EU-Regularien. Besonders kontrovers: Seine Haltung zur Chatkontrolle, die er als notwendiges Werkzeug gegen Kinderpornografie verteidigt, während er Datenschutz und technische Umsetzung vage offenlässt. Wildberger positioniert sich als Außenseiter der Politik, der "von der Sache her" arbeiten will. ### Wildberger sieht KI als fundamentale Zivilisationsverschiebung Wildberger erklärt, KI sei "fundamentaler als alles, was die Menschheit gesehen hat", weil Maschinen besser denken könnten. Er kündigt "Gigafactories" für Rechenzentren an und will den Staat als "Ankerkunde" europäischer Technologie etablieren. Die Bundesregierung plane Ausschreibungen mit "Buy European"-Klauseln statt reiner Preisoptimierung. ### Chatkontrolle: Wildberger fordert "Lösung" für Anbieter Bei der Chatkontrolle verweigert Wildberger eine klare Positionierung gegenüber EU-Plänen, betont aber: "Da muss es eine Lösung für geben." Er trenne strikt zwischen legitimer Privatsphäre und strafbaren Inhalten wie Kinderpornografie. Technische Details zur Umsetzung bleiben offen. ### Bürokratieabbau: "Goldplating" und überbordende Vorschriften Wildberger kritisiert "Goldplating" - übermäßige EU-Vorschriften - und kündigt einen jahrelangen Prozess zur Komplexitätsreduktion an. Als Beispiele nennt er das teilweise zurückgenommene Lieferkettengesetz und beschleunigte Bauprozederen. Handwerker müssten sich zu viele "Vorschriften mit Lösungsmitteln" einlesen. ### IT-Finanzierungsvorbehalt: Wildberger will Duplikate verhindern Beim umstrittenen Finanzierungsvorbehalt für IT-Projekte verspricht Wildberger, frühzeitig in Planungsprozesse einzugreifen. Er will verhindern, dass Ministerien identische Plattformen doppelt entwickeln - etwa wenn bereits eine KI-Plattform beim ITZ-Bund existiere. ### Kein Social-Media-Auftritt: "Stay tuned" für Mastodon Trotz seines digitalen Auftrags betreibt Wildberger keine persönlichen Social-Media-Kanäle. Er begründet dies mit Zeitmangel und unterschiedlichen Plattform-Anforderungen. Für europäische Anbieter wie Mastodon kündigt er jedoch baldige Aktivitäten an: "Stay tuned." ## Einordnung Das Interview zeigt einen Minister, der zwischen technischem Optimismus und politischer Realität navigiert. Wildbergers Selbstinszenierung als sachorientierter Außenseiter wirkt durchsichtig - er vermeidet klare Positionen bei zentralen Konflikten wie Chatkontrolle oder Verschlüsselung. Besonders problematisch: Seine Argumentation für Chatkontrolle folgt dem klassischen Muster von Sicherheitsbehörden, indem er Kinderpornografie als Türöffner für Massenüberwachung nutzt. Die fehlende kritische Nachfrage seitens c't ist auffällig - etwa zu technischen Details der Chatkontrolle oder zur Bewertung von Grundrechtseinschränkungen. Stattdessen wird Wildbergers vage Technologie-Rhetorik unkritisch übernommen. Der Podcast verpasst es, die Spannung zwischen digitaler Souveränität und tatsächlicher Umsetzung zu hinterfragen - etwa warum Deutschland weiterhin von US-Cloud-Anbietern abhängig bleibt.