Der Geschichtspodcast "Was bisher geschah" widmet sich in dieser Folge der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. Joachim Telgenbüscher (Geschichtsjournalist) und Nils Minkmar (Historiker) erzählen, wie der Cheruskerfürst Arminius drei römische Legionen in einen Hinterhalt lockte und vernichtete. Sie räumen mit Mythen auf: Die Schlacht sei nicht wie später behauptet Germanien vor der Romanisierung bewahrt habe, sondern habe lediglich die Grenze des Imperiums leicht verschoben. Der Ort der Schlacht sei lange unklar gewesen; erst 1980er-Jahre-Funde bei Kalkriese sicherten die Lokalität. Die Bezeichnung "Teutoburger Wald" sei eine nationalistische Erfindung des 19. Jahrhunderts, als Arminius zum deutschen Nationalhelden "Hermann" stilisiert wurde. Varus selbst sei kein inkompetenter Feldherr, sondern überheblich und blind für die Warnungen vor Arminius gewesen. Letzterer habe sich als römisch ausgebildeter Bürger gegen Rom gewandt, weil er sich als Pfand und Unterdrücker seiner Stämme sah – weshalb ihn Römer als Verräter und Germanen als Befreier sahen. ### 1. Die Varusschlacht war keine historische Zäsur, sondern wurde erst im 19. Jahrhundert nationalistisch aufgeladen Die Moderatoren betonen, dass das römische Reich die Niederlage verkraftete und Germanien keine eigene Provinz wurde. Die spätere Sicht, hierdurch sei "deutsches Germanentum" gerettet worden, sei Projektion. Wie Telgenbüscher feststellt: "Die Römer haben sich dann ein Stück weit zurückgezogen, aber sie haben sich nicht komplett aus Germanien zurückgezogen." ### 2. Die genaue Schlachtfeld-Lokalität war bis in die 1980er Jahre unbekannt Trotz antiker Quellen habe man nur vage Ortsangaben; erst Münzfunde des Hobbyarchäologen Tony Clunn führten zur Ausgrabung in Kalkriese. Heute gelte dieser Ort nahe Osnabrück als gesichert, womit der populäre Name "Teutoburger Wald" irreführend sei. ### 3. Arminius war ein römisch sozialisierter Aufständischer Geboren als germanischer Pfand, mit römischem Bürgerrecht und Militärausbildung, habe er sich erst spät gegen Rom gewandt. Minkmar fasst: „Verräter aus römischer Sicht … Held aus germanischer Sicht.“ ### 4. Varus’ Scheitern entsprang Hybris, nicht mangelnder Erfahrung Der Statthler habe erfolgreich in Afrika und Syrien gedient, aber Warnungen vor Arminius ignoriert. Telgenbüscher: „Er war sicherlich überheblich … hat den Arminius … nicht wirklich ernst genommen.“ ### 5. Die moderne Rezeption ist ein Produkt des 19.-Jahrhundert-Nationalismus Die Erfindung des „Hermann“ und die Etikettierung „Schlacht im Teutoburger Wald“ dienten der Schaffung eines deutschen Einheitshelden; historisch sei der Topos also jünger als das Ereignis selbst. ## Einordnung Der Podcast bedient sich klarem, lebendigem Erzählstil und bemüht sich um Entmystifizierung. Die Moderatoren zerlegen ein nationales Gründungsmythos, indem sie zeigen, wie sehr spätere politische Interessen die Deutung der Varusschlacht geprägt haben. Stilistisch wirkt das Gespräch eher wie ein unterhaltsames Double-Feature denn wie streng analytische Geschichtswissenschaft: Es fehlt an Gegenstimmen, an tieferer Einordnung der archäologischen Methodik oder an der Frage, warum gerade diese Mythen heute noch virulent sein könnten. Die Quellenlage wird knapp erwähnt, doch bleibt sie marginal – ein Historiker:innen-Interview würde hier Tiefe verleihen. Inhaltlich ist die Botsicht liberal und nationalmythen-kritisch; rechte oder esoterische Deutungen werden nicht reproduziert, sondern entschieden zurückgewiesen. Wer eine lockere, mythen-räumende Unterhaltung mit einigen Aha-Effekten sucht, ist hier gut bedient – für wissenschaftlichen Anspruch reicht es nur bedingt.