In der Lawfare-Podcast-Folge "Lawfare Live: The Now" vom 20. Oktober 2025 diskutieren Chefredakteur Benjamin Wittes und Senior Editor Anna Bower über einen ungewöhnlichen Vorfall: Die amtierende US-Staatsanwältin Lindsey Halligan kontaktierte Bower über die verschlüsselte App Signal, um sich über deren Tweets zu einem New York Times-Artikel über die Grand-Jury-Zeugenaussagen im Fall gegen Letitia James zu beschweren. Die Kontaktaufnahme erfolgte ohne vorherige journalistische Beziehung, ohne Klärung der Gesprächsgrundlagen und ohne konkrete Fehlerangaben. Halligan nutzte dabei ihren privaten Signal-Account mit verschwindenden Nachrichten – ein Verstoß gegen Justizministeriumsrichtlinien. Die Episode beleuchtet die brisante Mischung aus politisch motivierter Strafverfolgung, mangelnder Medienkompetenz und dem Umgang mit vertraulichen Ermittlungsinformationen. ### 1. Kontakt ohne journalistische Beziehung Halligan habe Bower nach dreijähriger Funkstille via Signal geschrieben, obwohl sie sich lediglich einmal kurz in einem Restaurant getroffen hätten. Bower habe die Echtheit ihrer Gegenüberin durch eine Frage zu jenem Treffen verifiziert, doch eine journalistische Vereinbarung („off the record“) habe nie stattgefunden. ### 2. Beschwerde über fremde Berichterstattung Der Anlass sei Bower’s Zusammenfassung eines NYT-Artikels über Grand-Jury-Aussagen gewesen. Halligan habe zwar behauptet, die Times liege falsch, aber weder spezifische Fehler genannt noch den Artikel selbst kritisiert – stattdessen habe sie sich an Bower gewandt, die lediglich zitiert habe. ### 3. Verstoß gegen Justizinterne Vorschriften Die Unterhaltung sei über Signal mit aktiviertem „disappearing messages“ geführt worden. Wittes und Bower weisen darauf hin, dass Mitarbeitende des US-Justizministeriums dienstliche Kommunikation auf dienstlichen Geräten und mit Aufbewahrungspflicht führen müssten; das Nutzen privater End-to-end-verschlüsselter Kanäle sei unzulässig. ### 4. Nachträgliche Off-the-record-Forderung Erst nachdem Lawfare die Veröffentlichung angekündigt habe, habe Halligan nachträglich verlangt, das Gespräch gelte als „off the record“. Journalistische Standards sähen eine vorherige Einigung darüber vor; eine nachträgliche Geheimhaltungsauflage wies Bower zurück. ### 5. Einzigartigkeit des Vorgangs In Recherchen mit mehreren ehemaligen Bundesanwält:innen und Justizreporter:innen habe sich niemand eine vergleichbare Kontaktaufnahme zu einem laufenden Verfahren erinnern können. Die meisten Beteiligten hätten dies als „wild“ und ohne Präzedenz beschrieben. ## Einordnung Die Episode zeigt ein Journalisten-Format mit professionellem Anspruch: klare Trennung von Moderation und Reporterrolle, offen geäußerte Unsicherheiten und transparente Recherchegrundlagen. Besonders auffällig ist, wie das Gespräch ständig zwischen analytischer Distanz und persönlicher Betroffenheit schwankt – Wittes nutzt absichtlich spitzfindige Rhetorik („you kind of have to sit there while she whines about your integrity“), um die Machtbalance zwischen Quelle und Reporterin sichtbar zu machen. Gleichzeitig bleibt die Diskussion primär auf das mediale Fehlverhalten Halligans fokussiert; strukturelle Fragen – etwa, warum eine offenbar politisch motivierte Interimsstaatsanwältin überhaupt ein Bundesschwerpunktverfahren lenken darf – werden nur angerissen. Marginalisiert bleiben Perspektiven der Angeklagten sowie mögliche justizinterne Kontrollmechanismen; stattdessen verfestigt sich der Eindruck eines exklusiven Insider-Gesprächs unter Fachleuten. Der Podcast liefert dadurch eine ebenso informative wie unterhaltsame Momentaufnahme, besticht aber weniger durch kritische Machtanalyse als durch die dokumentarische Selbstverortung der Szene.