Ones and Tooze: Whither Global Development?

Eine kluge Analyse des Scheiterns globaler Entwicklungsziele – von Trumps Rückzug bis Chinas Aufstieg.

Ones and Tooze
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Der Podcast "Ones and Tooze" widmet sich in dieser Folge dem Scheitern der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) bis 2030. Adam Tooze und Cameron Abadi diskutieren, warum 80 % der Ziele nicht erreicht werden und wie sich die globale Entwicklungspolitik verschoben hat. Tooze erklärt, dass die SDGs nicht nur ärmeren Ländern galten, sondern allen Staaten – und dennoch sei keinem Land wirklich "nachhaltige Entwicklung" gelungen. Die USA unter Trump hätten sich offiziell von diesem Projekt abgewandt, was Millionen Menschenleben koste. Gleichzeitig kritisiert Tooze das Versprechen, mit „Blended Finance“ aus Milliarden öffentlicher Mittel Billionen privater Investitionen zu hebeln – dies sei gescheitert, weil pro öffentlichem Dollar nur 30 Cent privates Kapital flössen. China präsentiere sich nun als neuer Akteur mit der Global Development Initiative, doch auch dieses Modell sei eher infrastruktur- und wachstumsorientiert als wirklich nachhaltig. Künstliche Intelligenz bleibe für die meisten Menschen ohnehin irrelevant, solange Hunderte Millionen keinen Strom hätten. ### 1. Die SDGs seien das ambitionierteste Entwicklungsprojekt aller Zeiten Tooze betont, dass die 17 Ziele und 169 Teilziele nicht nur Entwicklungsländer beträfen, sondern „wörtlich jedes Land der Welt“. Die SDGs seien damit ein Versuch, die gesamte Weltwirtschaft nachhaltig zu gestalten – „niemand hat das bisher erreicht“. ### 2. Die USA hätten sich unter Trump offiziell vom globalen Entwicklungsprojekt abgewandt Die Trump-Administration habe nicht nur das Pariser Klimaabkommen verlassen, sondern auch die SDGs offiziell „denunziert“. Tooze zitiert die US-Regierung: „Das eigentliche Geschäft der US-Regierung sei es, die Interessen des amerikanischen Volkes zu vertreten“ – und bezeichnete UN-Ziele als „CCP-Propaganda“. ### 3. Das „Billions to Trillions“-Versprechen sei gescheitert Die Idee, mit relativ kleinen öffentlichen Mitteln („Billions“) private Investitionen im Billionenbereich („Trillions“) zu mobilisieren, habe sich als Illusion erwiesen. Tooze: „Ein Dollar öffentliches Geld bringt 30 Cent privates Investment – wenn man Glück hat.“ ### 4. China präsentiere sich als neuer globaler Entwicklungsakteur Mit der Global Development Initiative und der Belt-and-Road-Initiative biete China ein alternatives Entwicklungsmodell an. Tooze beschreibt dies als „Nüs-und-Bolzen-Ansatz“ ohne politische Bedingungen, der sich jedoch stärker an chinesischen Interessen orientiere. ### 5. Künstliche Intelligenz bleibe für die meisten irrelevant Solange 550-600 Millionen Menschen keinen regelmäßigen Stromzugang hätten, sei AI für Entwicklungspolitik „weiter unten auf der Liste“. Die Technologie symbolisiere eher die zunehmende Unsicherheit über die Zukunft der globalen Entwicklung. ## Einordnung Die Diskussion zeigt eine bemerkenswerte Offenheit gegenüber komplexen historischen und politischen Zusammenhängen. Tooze gelingt es, die Entwicklungspolitik seit den 1950er Jahren bis heute in einen kohärenten Erzählstrang zu bringen, ohne dabei zu vereinfachen. Besonders bemerkenswert ist die klare Benennung von Machtstrukturen: Die USA werden nicht als „natürlicher“ Führer dargestellt, sondern als Akteur, dessen Rückzug andere Mächte aktivieren könnte. Die Kritik an der „Blended Finance“-Orthodoxie ist scharf, aber fundiert – Tooze liefert konkrete Zahlen und zeigt die politischen Zwänge auf, die zu diesem Modell führten. Die Perspektive auf China vermeidet sowohl Alarmismus als auch Verharmlosung und betont stattdessen die historische Ironie, dass ausgerechnet das ehemalige „revolutionäre“ China nun zum „Entwicklungsakteur“ wurde. Fehlende Stimmen sind vor allem die der betroffenen Länder selbst – die Diskussion bleibt auf Expert:innen aus dem globalen Norden fokussiert. Die journalistische Qualität ist hoch: komplexe Zusammenhänge werden verständlich, ohne zu vereinfachen, und die Argumentation folgt einer klaren Logik. Hörempfehlung: Eine der fundiertesten und zugleich zugänglichsten Analysen zur Krise globaler Entwicklungspolitik.