Medienmagazin: GAZA | PRO7SAT1 | RBB MEDIA | WERBUNG

Kritische Nahost-Medienanalyse, Übernahme-Drama um ProSiebenSat.1 und Geburtstag der RBB-Werbetochter im Medienmagazin-Podcast.

Medienmagazin
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Das Medienmagazin vom 16. August 2025 widmet sich in seiner 90-minütigen Sendung der Macht von Bildern und Framing: Nach einem kurzen Schwenk auf das Gipfeltreffen Putin/Trump in Alaska steht die Berichterstattung über den Gaza-Konflikt im Fokus. Fabian Goldmann, freier Journalist und Buchautor, wirft deutschen Medien vor, israelische Militärmeldungen unkritisch zu übernehmen und palästinensische Journalisten:innen gezielt als „Terroristen“ zu framen – mit tödlichen Folgen. Er belegt dies mit Zahlen (75 % der Nachrichten beruhen auf israelischen Quellen) und nennt einzelne Ausnahme-Journalist:innen wie Dunja Ramadan (Spiegel) oder Daniel Bax (taz). Im zweiten Teil geht es um die Übernahme von ProSiebenSat.1 durch italienische (MFE/Berlusconi) und tschechische Investoren (PPF). Thomas Lückerath erklärt, warum paneuropäische Synergiepläne wohl scheitern und wie Streaming-Strategien das lineare TV langsam überholen. Zum 70-jährigen Jubiläum der RBB Media GmbH erinnert man sich an die Anfänge der Fernsehwerbung in der BRD und DDR – inklusive Rotkohl-Werbespots und rückwärts abgespielten arabischen Waschmaschinen-Jingles. ### 1. Deutsche Nahost-Berichterstattung als Mitverursacherin von Kriegsverbrechen Goldmann konstatiert, deutsche Medien würden „sich mitschuldig machen an den Verbrechen der israelischen Armee“, weil sie „völlig unkritisch die Angaben von Israels Armee und Regierung übernehmen“. Als Beleg führt er aus: „über ungefähr 75 % der Nachrichten in der Nahostberichterstattung basieren auf staatlichen Angaben … die allermeisten auf Angaben von Israels Armee und Regierung.“ ### 2. Systematisches Framing palästinensischer Journalist:innen als „legitime Ziele“ Seit dem 7. Oktober seien über 200 Medienschaffende im Gazastreifen getötet worden, viele nach gezielten Diffamierungskampagnen. Der Vorwurf, Al-Jazeera-Journalist Anas Al-Sharif habe eine Raketenabschusseinheit geleitet, sei „durch nichts belegt“. Dennoch würden deutsche Medien diese Darstellung prominent platzieren. ### 3. Strukturelle Ursachen: Verlautbarungsjournalismus, Schuldfreisprechen und Rassismus Goldmann identifiziert drei Triebfedern: erstens „Verlautbarungsjournalismus“ (doppelte Gewichtung israelischer Quellen gegenüber allen palästinensischen, libanesischen und UN-Quellen), zweitens ein „Schuldfreisprechen-Komplex“ („völlig unkritische Solidarität zur rechtsextremen israelischen Regierung“) und drittens „antipalästinensischer Rassismus“, der sich in der 100-fachen Überrepräsentation israelischer Opfer in der Bild zeige. ### 4. Angstkultur in deutschen Redaktionen Viele Journalist:innen würden sich „von dem Beruf verabschiedet haben oder ihre Berichterstattung angepasst haben“, weil Shitstorms, Redaktionsdruck und gezielte Einflussnahme (etwa durch die deutsch-israelische Gesellschaft) das Klima vergifteten. ### 5. ProSiebenSat.1: Neue Eigentümer, alte Probleme Der Bieterwettbewerb zwischen MFE (Berlusconi-Erben) und PPF (tschechische PPF-Gruppe) dürfte kaum spürbare Programm-Profilschärfung bringen. Lückerath erwartet vor allem Einsparungen und „keine radikalen Veränderungen“, da paneuropäische Synergiepläne bereits mehrfach gescheitert seien. ### 6. RBB Media: 70 Jahre Werbegeschichte und digitale Zukunft Die kommerzielle Tochter des RBB feiert Geburtstag und kämpft mit sinkenden Werbeeinnahmen (–2 Mio € 2024). Geschäftsführerin Anja Mellage fordert digitale Erlösmodelle (Werbung in der Mediathek), um die Mischfinanzierung aufrechtzuerhalten. Historische Rückblicke zeigen: schon 1956 lief die erste Fernsehwerbung („Persil und nichts anderes“), 1959 folgte die DDR mit Kamillencreme- und Rotkohl-Spots. ## Einordnung Die Sendung versteht sich als kritisches Korrektiv zur deutschen Medienlandschaft. Besonders der Gaza-Teil überrascht durch klare Haltung: Fabian Goldmann liefert keine ausgewogene Pro-Contra-Diskussion, sondern eine Anklage – unterlegt mit Zahlen und konkreten Autor:innen-Nennungen. Das ist journalistisch mutig, birgt aber das Risiko, komplexe Machtverhältnisse zu vereinfachen. Gleichzeitig bleiben palästinensische oder israelische Regierungsstimmen aus; die Perspektive dominiert eindeutig. Die anschließenden Themenblöcke (ProSiebenSat.1, RBB Media) wirken wie bewusste Entschleunigung, liefern aber kaum neue Einsichten. Fazit: Wer eine scharfe Medienkritik aus linker Außensicht sucht, bekommt hier reichlich Material – wer ausgewogene Nahost-Analyse erwartet, sollte lieber woanders hören.