Input: Best of Input: Die Vorboten der Wechseljahre
SRF-Reportage über frühe Wechseljahre ab 35 – warum Ärzt:innen sie oft übersehen und was es bedeutet, wenn der Körper sich verändert, bevor es "offiziell" erlaubt ist.
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34 min read2225 min audioDer SRF-Podcast «Input» widmet sich in dieser Folge den frühen Wechseljahrbeschwerden, die bereits ab Mitte 30 auftreten können. Die Journalistin Mariel Kreis begleitet ihre Freundin Sue, die mit 36 Jahren unter Symptomen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Stimmungsschwankungen und Hirnnebel litt – ohne dass Ärzt:innen zunächst die hormonelle Ursache erkannten. Im Gespräch mit Susanna Weidlinger, Oberärztin am Menopausezentrum Inselspital Bern und Präsidentin der Schweizerischen Menopausengesellschaft, wird deutlich, dass diese «In-between-Phase» zwischen Prä- und Perimenopause weder offiziell benannt noch medizinisch ausreichend verankert ist.
### 1. Die frühen Wechseljahre beginnen oft schon mit Mitte 30
Sue habe bereits mit 36 Jahren unter massiven Beschwerden gelitten – von Hirnnebel bis starken Stimmungsschwankungen. Weidlinger erklärt, dass das Progesteron ab Mitte 30 langsam sinke, während das Östrogen zunächst stabil bleibe – ein Ungleichgewicht, das zu vielfältigen Symptomen führen könne.
### 2. Die Diagnose sei schwierig, weil der Zyklus oft noch regelmäßig sei
Da die Menstruation noch komme, würden viele Ärzt:innen die hormonelle Ursache übersehen. «Diese In-between-Phase ist schwierig zu diagnostizieren», so Weidlinger. «Die Brücke zu schlagen zwischen regelmässiger Menstruation und Wechseljahrbeschwerden fällt auch Fachleuten schwer.»
### 3. Viele Betroffene würden jahrelang von Arzt zu Arzt geschickt
Sue sei «bei zig Fachärzten» gewesen, im Schlaflabor, bei Rheumatolog:innen und zur Demenzabklärung – ohne dass jemand an die Wechseljahre gedacht habe. Weidlinger bestätigt: «Ich habe ganz viele von diesen Frauen.»
### 4. Das Thema sei im Medizinstudium jahrelang stiefmütterlich behandelt worden
Weidlinger berichtet, dass sie selbst während ihrer Ausbildung kaum über Menopause aufgeklärt wurde. «Ich hatte immer Angst in der Sprechstunde, dass eine Frau sagt: ‚Frau Weidlinger, ich muss schwitzen.‘» Erst durch eigene Weiterbildung habe sie sich dem Thema zugewandt.
### 5. Die Mehrfachbelastung vieler Frauen verschärfe die Symptome
Die Betroffenen seien oft beruflich gefordert, hätten kleine Kinder oder pflegten zugleich ihre Eltern. «Es ist einfach eine Mehrfachbelastung, die die Frauen in dieser Lebensmitte gerade haben – und dann kommt noch diese hormonelle Achterbahn dazu.»
### 6. Gesellschaftliches Tabu und fehlende Sprache erschweren die Aufklärung
Sowohl Sue als auch Weidlinger betonen, dass über Wechseljahre kaum gesprochen werde – geschweige denn über ihre frühen Formen. «Ich hoffe für meine Tochter, dass sie weiss: Man darf über alles reden», sagt Sue.
## Einordnung
Der Podcast zeigt auf eindringliche Weise, wie ein medizinisches Wissensdefizit mit gesellschaftlichem Schweigen zusammenwirkt. Die Reportage gelingt es, eine persönliche Betroffene mit medizinischer Expertise zu verbinden – ohne dabei aufklärerisch zu belehren. Stattdessen wird deutlich, wie strukturelle Probleme wie Zeitmangel in Praxen, mangelnde Ausbildung und gesellschaftliche Tabuisierung zusammenwirken. Die Erzählweise bleibt nah und respektvoll, ohne zu dramatisieren. Besonders bemerkenswert ist, wie deutlich gemacht wird, dass es sich nicht um ein Einzelschicksal handelt – sondern um ein systemisches Versagen, das Frauen jahrzehntelang mit Symptomen allein lässt. Die Folge setzt wichtige Impulse für eine gesellschaftliche Debatte, die längst überfällig ist.
Hörwarnung: Wer selbst betroffen ist, sollte sich auf emotionale Momente einstellen – die Folge kann verstörend wirken, aber auch erleichtern.