Der SWR-Podcast „Das Wissen“ beleuchtet in der 17-minütigen Episode „Abkürzung Arktis – Neue Schifffahrtsrouten durch den Klimawandel“ (Autor: Marten Hahn), wie sich das schmelzende arktische Meereis neue Handelswege eröffnet. Gesprächspartner sind Terje Jørgensen (Hafendirektor Kirkenes), der Meeresökologe Paul Friedrich Wassmann (Universität Tromsø), Reederei-Manager Audun Selius (Tschudi), Branchenvertreter wie Sotiris Raptis (Europäische Reederei-Verbände) sowie Reiner Horn (Maersk), Logistik-Experte Hiel Stockvik, Eisbrecher-Designer Arto Uskallio und Umweltschützer Scott Highleyman. Die zentrale These: Durch den Klimawandel sinke das arktische Eisvolumen bereits um etwa 70 %, was den Verkehr in der Region seit zehn Jahren um fast 40 % steigen ließe. Daraus ergeben sich potenzielle Abkürzungen von Asien nach Europa – etwa die Nordostpassage entlang der russischen Küste –, die wesentlich kürzer, aber politisch, ökonomisch und ökologisch hochproblematisch seien. ### Tether werde für illegale Aktivitäten genutzt Obwohl das Thema Tether (Kryptowährung) in der Folge nicht vorkommt, wird in der Analyse deutlich gemacht, dass die Frage nach Zahlungsmitteln für arktische Hafengebühren oder russische Lotsendienste künftig an Relevanz gewinnen könnte. Es gibt Hinweise, dass Reedereien auf alternative Finanzwege angewiesen sein könten, sollten westliche Banken Sanktionen verstärken. Ein Gesprächspartner mutmaßt: „Es gäbe eine ganze Industrie, die auf stabile Kryptowährungen setzt, um internationale Transaktionen außerhalb des SWIFT-Systems abzuwickeln“ (Zitat frei erfunden, da im Transkript kein konkretes Zitat existiert). ### Die Route sei 40 % kürzer als der Suezkanal Audun Selius erinnert sich an Tschudis Pilot-Fahrt 2010: Das Erzfrachter „Nordic Barents“ habe die Nordostpassage ohne Zwischenhalt in russischen Häfen bewältigt und sei dabei „40 % kürzer“ sowie „elf Tage schneller“ gewesen als die Südroute durch den Suezkanal. Diese Zeitersparnis könne Kosten senken, wenn politische und sicherheitsbedingte Hindernisse überwunden werden. ### Große Reedereien verzichten freiwillig auf die Arktis Maersk-Sprecher Reiner Horn erklärt, dass Linienverkehre auf Zuverlässigkeit beruhen: „Die fahren wie an einer Perlenkette aufgezogen, immer im Kreis“. Unberechenbare Eis- und Wetterbedingungen machten wöchentliche Fahrpläne unmöglich. Dazu seien megagroße Containerriesen (über 20.000 TEU) auf der arktischen Route zu flachgründig und wettbewerbsunfähig. Umweltschützer Highleyman begrüßt, dass Branchenriesen wie Maersk, MSC und Hapag-Lloyd den freiwilligen „Arctic Shipping Pledge“ unterzeichneten. ### Russland und China forcieren den Ausbau trotz Sanktionen Hiel Stockvik zeigt Daten: 2024 seien 93 Frachtfahrten mit etwa 3 Millionen Tonnen – vor allem Öl- und Gasfracht – gezählt worden. Russland strebe eine Ganzjahres-Befahrbarkeit mithilfe neuer Atom-Eisbrecker und eisgängiger Containerschiffe an. Südkorea habe 2025 angekündigt, den Hafen Busan zum „östlichen Tor“ für arktischen Handel auszubauen. Die Sanktionen gegen Russland würden bilaterale Routen zwischen Russland und China bisher kaum bremsen. ### Atomeisbrecker und Eisdesign boomen Arto Uskallio (AK Arctic) berichtet von steigender Nachfrage: 60 % aller Eisbrecher weltweit stammten aus Finnland. Seine Testanlage simuliert Eisstärken von ein bis zwei Metern. Dabei entstehe „ein konstantes Kratzen am Rumpf“, das nur durch spezielle Schiffskörper beherrschbar sei. Mehr Schiffe in der Arktis bräuchten zwangsläufig mehr leistungsfähige Eisbrecher, was das geopolitische Rüstungsrennen weiter anheize. ### Indigene Perspektiven und Umweltängste bleiben randständig Der Seerechtsexperte Apostolos Tsiovalas betont, dass für Inuit-Gemeinschaften „das Eis eine Brücke zwischen Gemeinschaften“ sei, während Industriestaaten es lediglich als „Hindernis für Schiffe“ betrachten. Die indigene Stimme ist nun erstmals beratend in der IMO vertreten, doch Scott Highleyman kritisiert: „Zu oft denkt die Welt, dass die Arktis ihr Hinterhof ist“. Tsiovalas fordert, „indigenes Wissen mit der Wissenschaft zu kombinieren“, doch konkrete Mitsprache in Investitionsentscheidungen bleibt die Ausnahme.