How to Survive the Broligarchy: The free press fights back...
Investigativjournalistin Carole Cadwalladr startet mit "The Nerve" ein neues, von Frauen geführtes Medium als Gegenentwurf zu Big Tech und kriselnden Medienhäusern.
How to Survive the Broligarchy
10 min readDie investigative Journalistin Carole Cadwalladr, bekannt für ihre Enthüllungen im Cambridge-Analytica-Skandal, kündigt in diesem Newsletter die Gründung eines neuen, unabhängigen und von Frauen geführten Mediums namens „The Nerve“ an. Sie beschreibt diesen Schritt als Reaktion auf ihre persönlichen Erfahrungen mit der Medienbranche und die allgemeinen gesellschaftlichen Krisen. Cadwalladr schildert, wie sie nach 20 Jahren als feste freie Mitarbeiterin für den Guardian und Observer nach dem Verkauf des Blattes an Tortoise Media ihre Position verlor. Sie kritisiert die prekären Arbeitsverhältnisse und das Vorgehen ihres ehemaligen Arbeitgebers scharf.
Die Gründung von „The Nerve“ wird als notwendige Antwort auf eine Welt dargestellt, die von Desinformation, dem Aufstieg der extremen Rechten und der unkontrollierten Macht von Tech-Monopolen geprägt sei. Cadwalladr positioniert das neue Projekt als Gegenmodell zum etablierten Journalismus, der durch Kooperationen mit KI-Unternehmen an Vertrauen verliere. „The Nerve“ soll von einem Team aus fünf erfahrenen Journalistinnen des Observer geleitet werden, die ihre Abfindungen in das Projekt investieren. Die Vision ist ein Journalismus, der unabhängig, leser:innennah und von Grund auf neu aufgebaut wird. Cadwalladr betont die Mission mit den Worten: „Wir glauben einfach, dass Journalismus unabhängig sein muss, dass wir ihn selbst von Grund auf neu aufbauen müssen, dass er in Gemeinschaft mit seinen Leser:innen stehen muss.“ Das Medium verspricht eine Mischung aus tiefgehenden Recherchen, Kultur, Humor und Ernsthaftigkeit. Der Newsletter ist somit zugleich eine persönliche Abrechnung, ein Manifest für einen neuen Journalismus und ein Spendenaufruf.
Länge des Newsletters: 9584
## Einordnung
Der Newsletter nutzt ein starkes Framing von „David gegen Goliath“: Ein kleines, rein weibliches Team tritt gegen die übermächtig erscheinenden Strukturen der etablierten Medien und der „Broligarchy“ der Tech-Konzerne an. Die Argumentation basiert weniger auf Fakten als auf dem Ethos der Autorin und einem emotionalen Appell an die Leser:innen. Die Darstellung ist dabei bewusst einseitig; die Perspektive des Guardian oder von Tortoise Media fehlt gänzlich. Als implizite Annahme liegt dem Text die Überzeugung zugrunde, dass ein von Frauen geführtes, unabhängiges Medium per se eine bessere und integerere Form des Journalismus darstellt.
Die Agenda ist klar: Es geht um die Mobilisierung von Unterstützung und die Etablierung einer Marke – sowohl für „The Nerve“ als auch für Cadwalladr selbst. Argumentative Schwächen liegen in der vagen Beschreibung des Geschäftsmodells und der inhaltlichen Ausrichtung, die als mutiges „Glücksspiel“ romantisiert wird. Die Kritik an prekären Arbeitsverhältnissen ist zwar relevant, wird hier aber vor allem als persönliches Motiv für den Neuanfang instrumentalisiert.
Der Text ist gesellschaftlich relevant, da er die tiefgreifende Krise des Journalismus – Vertrauensverlust, ökonomischer Druck und prekäre Arbeit – thematisiert. Er ist lesenswert für alle, die sich für die Zukunft unabhängiger Medien, Medienkritik und die Arbeit von Carole Cadwalladr interessieren. Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass es sich hierbei weniger um eine Analyse als um ein leidenschaftliches und strategisch aufgebautes Gründungsmanifest handelt.