Haken dran – das Social-Media-Update der c't: Zu: Widerliche Abscheulichkeiten (mit Markus Beckedahl)
Haken dran – das Social-Media-Update der c't
54 min readIm Podcast "Haken dran - Das Social Media Update der c't" diskutiert Moderator Gavin Karlmeier mit Markus Beckedahl, Mitgründer der Republica und Gründer des Zentrums für Digitalrechte und Demokratie, über aktuelle Entwicklungen in der Tech-Regulierung. Schwerpunkte sind EU-Maßnahmen gegen große Plattformen, der Konflikt zwischen Elon Musk und Donald Trump sowie Beckedahls neues Projekt zur digitalen Demokratieförderung.
### 1. Musk-Trump-Konflikt eskaliere über Gesetzespaket
Elon Musk habe Donald Trumps "Big Beautiful Bill"-Gesetzespaket als "widerliche Abscheulichkeit" bezeichnet und damit einen öffentlichen Bruch mit dem Präsidenten riskiert. Beckedahl erklärt: "Auf der einen Seite gibt es eben die [...] die eben hinter Trump stehen und diesen Populismus fördern. [...] Und auf der anderen Seite hast du eben diese unternehmerisch-wirtschaftlich getriebenere Rechte." Musk drohe bereits, Politiker zu "feuern", die für das Paket stimmten, und nutze seine Ressourcen für entsprechende Wahlkampffinanzierung.
### 2. Meta halte Atomkraftwerk am Netz für KI-Rechenzentren
Meta habe einen Vertrag unterzeichnet, um ein bereits 2017 zur Stilllegung vorgesehenes Kernkraftwerk in Illinois weiterzubetreiben. Karlmeier kommentiert kritisch: "Absolutes Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung wird, je länger so ein Kernkraftwerk am Netz ist, umso älter sind die Bestandteile, die eben da drin ist. Seit 1987 steht dieses Kernkraftwerk dort schon." Das Kraftwerk schreibe seit Jahren Verluste, Meta zahle jedoch die wegfallenden Steuergutschriften, um Energie für KI-Infrastruktur zu sichern.
### 3. EU-Regulierung führe zu taktischen Rückzügen der Plattformen
TikTok habe den Hashtag "Skinnytalk" erst nach EU-Untersuchungen gesperrt, Pornhub schalte den Zugang in Frankreich ab statt Altersverifikation zu implementieren. Beckedahl kritisiert: "Das ist knallhart, hier ermittelt gerade die EU, also tun wir mal so, als würden wir was tun." Bei X zeige sich ähnliches Verhalten mit nachträglichen Warnhinweisen zum blauen Häkchen nur für EU-Nutzer:innen.
### 4. Trusted Flagger-System solle Meldungen priorisieren
Die Bundesnetzagentur habe drei neue "Trusted Flagger" ernannt: den Bundesverband Onlinehandel, HateAid und die Verbraucherzentrale. Diese könnten Verstöße gegen den Digital Services Act vorrangig melden. Beckedahl betont: "Das heißt aber nicht, dass Trusted Flaggern sozusagen die Lizenz zum Löschen haben [...] sondern einfach nur, dass man halt ein schnelleres Ticket bekommt."
### 5. Zentrum für Digitalrechte solle Gegenmacht zu Big Tech aufbauen
Beckedahls neues Projekt ziele darauf ab, der "massiven PR-Ressourcen" von Big Tech entgegenzuwirken: "Dem wollen wir etwas entgegensetzen und starten erstmal quasi jetzt [...] Newsrooms zu errichten für digitale Grundrechte." Das Zentrum solle schnell auf Unternehmensentscheidungen reagieren und Journalist:innen Einordnungen in verständlicher Sprache liefern.
## Einordnung
Der Podcast bietet eine fundierte Analyse aktueller Tech-Regulierung aus zivilgesellschaftlicher Perspektive, wobei Beckedahls Expertise als Netzaktivist durchgehend spürbar ist. Bemerkenswert ist die kritische Einordnung scheinbar progressiver Entwicklungen: Während EU-Regulierung oft als Erfolg geframt wird, zeigen die Gesprächspartner auf, wie Konzerne durch taktische Compliance echte Veränderungen umgehen. Die Diskussion über Musks Atomkraftwerk-Deal verdeutlicht die ökologischen Kosten der KI-Revolution, die in Tech-Diskursen oft ausgeblendet werden.
Argumentativ überzeugt der Podcast durch konkrete Beispiele und Einordnung komplexer Rechtsmaterien. Schwächer wird er bei der Lösungsperspektive: Beckedahls Zentrum für Digitalrechte bleibt vage in der Operationalisierung, und die wiederholt geäußerte Hoffnung auf "öffentlich-rechtliche Alternativen" wirkt angesichts der strukturellen Machtasymmetrien zwischen Zivilgesellschaft und Big Tech fast naiv. Die Analyse vernachlässigt zudem systematische Machtfragen: Warum gelingt es demokratischen Institutionen nicht, profitable Compliance-Theater zu durchbrechen? Der Podcast eignet sich als Einstieg in aktuelle Tech-Regulierungsdebatten, bleibt aber bei der strukturellen Kritik an der Oberfläche.