Feel The News: Performative Male
Die Lobos analysieren, warum Männer, die sich mit feministischen Symbolen schmücken, bei vielen Frauen Wut und Enttäuschung auslösen – und ob die Debatte selbst nicht auch Fallstricke birgt.
Feel The News
53 min read3726 min audioIm Podcast "Feel the News" diskutieren Jule und Sascha Lobo das Phänomen der sogenannten "Performative Male" – Männer, die feministische Rhetorik nutzen, ohne sie wirklich zu leben. Das Gespräch bewegt sich zwischen persönlichen Anekdoten, feministischer Theorie und gesellschaftlicher Selbstreflexion. Jule äußert zunächst Skepsis gegenüber der Debatte, da sie sie als elitär und realitätsfremd empfindet. Viele Zuhörerinnen berichteten jedoch von enttäuschenden Erfahrungen mit Männern, die sich als Feminist:innen präsentierten, sich aber in Beziehungen herablassend oder ausbeuterisch verhielten. Sascha differenziert zwischen zwei Typen: jene, die feministische Sprache als Tarnung nutzen, und jene, die sich entwickeln wollen, aber noch nicht angekommen sind. Sie sprechen über strukturelle Machtverhältnisse, symbolische Gesten wie lackierte Fingernägel und die Gefahr, dass feministische Rhetorik zur Täuschung dient. Der Podcast thematisiert auch die Rolle von Sprache, Macht und Authentizität in zwischenmenschlichen Beziehungen und fragt, wie viel Fehlbarkeit erlaubt ist, ohne dass jemand als „falscher Feminist“ abgestempelt wird.
### 1. Täuschung statt Transformation
Männer, die sich mit feministischer Sprache umgeben, aber keine strukturellen Veränderungen unterstützen, würden laut Kim Poster lediglich symbolisch „ihre Nägel lackieren“. Das Individuum inszeniere sich als fortschrittlich, ohne das Patriarchat wirklich zu bekämpfen. („Es bringt Frauen, die hier täglich ermordet werden, nichts, dass es irgendein Larry aus Berlin Mitte gibt, der sich jetzt die Nägel rosa lackiert.“)
### 2. „Fake it till you make it“ versus gezielte Täuschung
Sascha unterscheidet zwischen Männern, die anfänglich nur so tun, dann aber lernen, und jenen, die bewusst das Label „Feminist" zur Selbstinszenierung missbrauchen. Die Grenze sei fließend; entscheidend sei, ob echte Wertschätzung oder nur Eigeninteresse hinter der Maske stecke. („Beide haben so ein bisschen getan als ob, aber die einen haben es als Mittel benutzt, um Frauen im Prinzip zu täuschen.“)
### 3. Persönliche Betroffenheit als Erkenntnisquelle
Zahlreiche Zuhörerinnen berichteten von Enttäuschungen: Männer, die in Gesprächen feministisch argumentierten, überließen in Beziehungen aber Haus- und emotionale Arbeit ihren Partnerinnen. Diese Diskrepanz erzeuge Vertrauensverlust und das Gefühl, „hintergangen“ worden zu sein. („Ich möchte Menschen diesen Schmerz nicht aberkennen.“)
### 4. Machtgefälle und Sicherheitsrisiko
Die Täuschung durch „Performative Male" werde für Frauen existentiell, weil sie in eine Abhängigkeit geraten können (z. B. Schwangerschaft, finanzielle Unsicherheit). Die bloße Einschätzung „ich bin keine Gefahr" durch feministische Symbolik könne lebensbedrohliche Folgen haben, wenn sich hinterher herausstellt, dass der Mann Grenzen missachtet. („Mir ist es lieber, ich weiß, dass ich es mit einem Frauenhasser zu tun habe, als mit einem, der erstmal wie ein Verbündeter wirkt.“)
### 5. Diskursverengung durch Moralismus
Jule kritisiert, dass pauschale Verdächtigungen Männer von feministischen Themen fernhalten könnten. Wer ständig befürchte, als „Performative Male“ gebrandmarkt zu werden, ziehe sich zurück – mit dem Effekt, dass Veränderungsbereitschaft ersticken und Debatten vereinseitigt würden. („Das Signal nach außen ist: mach’s besser nicht.“)
### 6. Eigenwidersprüche in Beziehungsalltag
Beide sprechen offen über ihre eigenen Brüche: Jule erwartet trotz feministischer Überzeugung manchmal „klassische" Gesten wie Türöffnen oder Bezahlen im Restaurant. Diese Diskrepanz zwischen Theorie und gelebter Praxis zeige, dass fast alle Menschen im Patriarchat sozialisiert seien – ein dauerhaftes Ausbaden also nur am Individuum bemessen zu wollen, greife zu kurz. („Ich empfinde dich als sehr aufgeklärt und trotzdem haben wir regelmäßig Grundsatzdiskussionen über, wer führt bei uns den Haushalt.“)
## Einordnung
Die Folge zeigt ein aufgewühltes Paar, das versucht, eine differenzierte Debatte zwischen persönlicher Betroffenheit und struktureller Analyse zu führen. Die Diskussionskultur ist weitgehend respektvoll, beide geben sich Mühe, gegensätzliche Perspektiven auszuhalten. Das gelingt nur teilweise: Oft bleibt die Analyse an Einzelbeispielen hängen, statt systematisch zu fragen, welche Mechanismen Männlichkeit und Feminismus in einer patriarchal strukturierten Gesellschaft prägen. Die befragten Zuhörerinnen kommen zwar zu Wort, Expertise von Trans oder nicht-binären Personen fehlt ebenso wie Betroffene aus ländlichen Regionen oder mit geringerem Bildungshintergrund. Die Sendung bleibt damit eine urban-intellektuelle Debatte, die zwar wichtige Erfahrungen sichtbar macht, aber kaum über die eigene Bubble hinausreicht. Die argumentative Struktur wechselt zwischen nüchterner Theorie (Bell Hooks, Kim Poster) und persönlichen Anekdoten, ohne klare Kriterien für den Begriff „Performative Male“ zu liefern. Letztlich wird der Begriff diffus: Mal geht es um bewusste Täuschung, mal um unausgelebte Potenziale, mal um fehlende strukturelle Konsequenzen. Dadurch entsteht die Gefahr, dass individuelles Fehlverhalten generalisiert und damit eine neue Ausgrenzungsdynamik entsteht – genau das, was Jule anprangert.
Hörwarnung: Wer eine fundierte soziologische Analyse zum Thema „Frauenfeindlichkeit unter woken Männern“ sucht, wird hier nur ansatzweise bedient; die Episode bietet aber einen realen Einblick in die emotionale Verletztheit, die hinter der Enttäuschung über „falsche Verbündete“ steckt.