Reflektor: Lars Eidinger – Teil 2: „Es ist wichtig, ein Gegenüber zu haben“
Intimes Gespräch über Downbeat-EPs, Hansa-Studio-Magie und die Fluchtbewegung vor ewiger Aufzeichnung.
Reflektor
81 min read4374 min audioJan Müller und Lars Eidinger setzen ihr Gespräch über Musik, Schauspiel und Lebensentwürfe fort. Eidinger erzählt, wie er 1996 im Elternkeller mit einer 4-MB-Soundkarte Beats baute, aus denen schließlich die Downbeat-EP "I Break Your Leg" beim Hamburger Label K7 wurde. Dabei blieb es: mehrere Labels lehten zunächst ab, weil die Demos "noch mehr Swag" bräuchten. Er schildert zwei zufällige Begegnungen mit Tricky in Paris, die in einem gemeinsamen Song mündeten – der bis heute unveröffentlicht ist, weil Tricky sich später von ihm distanzierte. Parallel dazu entstand ein Projekt mit Schlagzeuger George Kranz im Hansa-Studio: gemeinsam vertonten sie Gedichte von Thomas Brasch, wobei Kranz' Rhythmus und Eidingers Sprache einander dialogisch antworten. Als DJ startete er 2000 mit der Reihe "Autistic Disco", die er wegen Kritik an dem Begriff später in "Anti Disco" umbenannte. Eidinger reflektiert, wie sehr seine anfängliche Suche nach Anerkennung heute in öffentlicher Ableitung umschlägt: die ersehnte Liebe bleibt aus, stattdessen erntet er Vorwürfe wegen angeblicher Omnipräsenz. Er sieht sich als Grenzgänger zwischen Theater, Film und Musik, wobei ihm die Live-Performance wichtiger ist als dauerhafte Aufnahmen, weil sie vergänglich bleibt.
## Einordnung
Der Podcast lebt von der unprätenziösen Atmosphäre zweier Künstler:innen, die sich auf Augenhöhe über Fehltritte, Peinlichkeiten und kreative Umwege austauschen. Müller hakt nicht interviewend nach, sondern lässt Eidinger assoziative Sprünge machen – vom Sushi-Etikette bis zur Angst, sich in Aufnahmen zu verlieren. Dabei bleibt das Gespräch frei von jeder Promi-Ebene: es wirkt wie ein Plausch unter Freund:innen, der zufällig aufgezeichnet wurde. Kritisch ist lediglich, dass problematische Begriffe wie „Autistic Disco“ zwar reflektiert, aber nicht mit Betroffenen diskutiert werden; die Umbenennung erfolgt erst unter Druck der Schweizer Kunstszene. Dennoch liefert der zweite Teil eine intime Momentaufnahme eines Multimediakünstlers, der sich selbst nicht ernst nimmt und dabei zeigt, wie sehr künstlerische Selbstverständlichkeit mit existenzieller Verletzlichkeit verknüpft ist. Wer sich für die Schnittstelle von Theater, elektronischer Musik und Popkultur interessiert, erhält hier authentische Einblicke jenseits gängiger Star-Storys.