Haken dran – das Social-Media-Update der c't: Social Media auf dem absteigenden Ast (mit Elisabeth L’Orange)
Journalist Philip Banse und KI-Expertin Elisabeth Langer analysieren, wie Algorithmen Politik, Jugendliche und Migrant:innen beeinflussen – und warum unsere Daten bald überall gespeichert, aber nirgends mehr sicher sind.
Haken dran – das Social-Media-Update der c't
3774 min audioDer Podcast „Haken dran“ diskutiert aktuelle Entwicklungen rund um soziale Medien, Plattformmacht und algorithmische Kontrolle. Elisabeth Langer (KI-Beraterin, Podcasterin) und Philip Banse (Journalist, Moderator) sprechen über den globalen Rückgang der Social-Media-Nutzung seit 2022, die Gefahren von TikTok für Jugendliche, ein Urteil in den Niederlanden, das Meta zur Chronologie-Option zwingt, und die geplante US-Uberwachungsplattform ICE. Sie werfen Google vor, sich als Redaktion zu verhalten, ohne Verantwortung für KI-generierte Inhalte zu übernehmen, und diskutieren, warum US-Behörden Apps wie „ICEBlock“ aus den Stores drängen. Die Episode endet mit einem Blick auf neue Plattform-Funktionen und der Frage, ob Nutzer:innen künftig für alte Daten zahlen sollen.
### 1. Social-Media-Nutzung sinkt weltweit – nur in den USA nicht
Laut Financial Times ist die Zeit, die Menschen weltweit in sozialen Medien verbringen, seit 2022 rückläufig. Langer vermutet, dass sich die Aufmerksamkeit auf Gaming-Plattformen wie Fortnite und Discord verlagert habe. In den USA steige die Nutzung jedoch weiter, was sie mit starker algorithmischer Durchdringung und fehlender Regulierung erklärt.
### 2. TikTok manipuliere Jugendliche gezielt – auch politisch
Ein Experiment der Organisation Global Witness zeigt, dass TikTok 13-Jährigen trotz Jugendschutz-Funktionen gezielt sexualisierte Inhalte empfiehlt. Langer berichtet, dass ihre amerikanischen Kinder durch TikTok-Videos zunehmend anti-amerikanische Haltungen entwickelten. Sie sieht darin eine systematische, politisch motivierte Beeinflussung durch die Plattform.
### 3. Niederländisches Gericht zwingt Meta zur Chronologie-Option
Ein Gericht in den Niederlanden urteilte, dass Meta Nutzer:innen die Möglichkeit geben muss, ihre Timeline chronologisch statt algorithmisch zu sortieren. Die Strafe bei Verstoß: 100.000 Euro pro Tag, maximal fünf Millionen Euro. Beide Moderator:innen halten die Summe für zu niedrig, um Meta nachhaltig zu beeinflussen.
### 4. Google als Redaktion verantwortlich? KI-Zusammenfassungen als Presseprodukt
Deutschlands Kulturstaatsminister Timon Weimer fordert, dass Google KI-generierte Zusammenfassungen als redaktionelle Inhalte anerkennen und entsprechend steuer- und haftungsrechtlich behandelt werden müsse. Die Gesprächspartner:innen unterstützen dies, fordern mehr Verantwortung für automatisierte Inhalte und mehr Transparenz bei Empfehlungsalgorithmen.
### 5. US-Behörde ICE plant flächendeckende Sozial-Media-Überwachung
Wie WIRED berichtet, will die US-Einwanderungsbehörde ICE rund 30 Dienstleister beauftragen, um rund um die Uhr öffentliche Social-Media-Posts, Fotos und Nachrichten nach Hinweisen für Abschiebungen und Festnahmen zu durchsuchen. Die App „ICEBlock“, die Migrant:innen vor ICE-Razzien warnte, wurde inzwischen aus App Stores entfernt.
## Einordnung
Die Folge zeigt, wie tief algorithmische Systeme in demokratische Grundrechte eingreifen – von der Meinungsbildung Jugendlicher bis zur Verfolgung von Migrant:innen. Die Moderator:innen schaffen es, komplexe Zusammenhänge wie regulatorische Grenzen, technologische Intransparenz und politische Machtspiele verständlich zu machen. Besonders gelungen ist die Verknüpfung von individuellen Beobachtungen mit strukturellen Problemen: etwa wenn Langer über die politische Beeinflussung ihrer Kinder durch TikTok berichtet und damit die Gefahr globaler Algorithm-Kriege verdeutlicht. Kritisch bleibt, dass einzelne Aspekte – etwa die Rolle von Palantir oder die rechtliche Bewertung von Empfehlungsalgorithmen – nur angerissen werden. Dennoch bietet der Podcast eine klare Haltung: mehr Transparenz, mehr regulatorische Konsequenz und mehr gesellschaftliche Aufklärung über digitale Machtverhältnisse. Wer sich für die Schnittstelle von Technik, Politik und Gesellschaft interessiert, findet hier eine zugängliche, aber substanzielle Auseinandersetzung mit den Gefahren und Gestaltungsmöglichkeiten digitaler Öffentlichkeit.