Outrage + Optimism: The Climate Podcast: Inside COP: A New Economy Rising - from promises to progress
Die Episode fragt, ob die bevorstehende Klimakonferenz in Belém als Wendepunkt für konkrete Klimaschutzmaßnahmen gelten kann.
Outrage + Optimism: The Climate Podcast
49 min read2816 min audioIn der Episode "Wird COP30 die COP der 'Umsetzung' sein?" von *Outrage + Optimism* diskutieren Paul Dickinson und Fiona McRaith mit Expert:innen, was es bedeuten würde, wenn die bevorstehende Klimakonferenz in Belém tatsächlich als Wendepunkt für die konkrete Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen gelten würde. Die Gespräche fokussieren sich auf die Rolle der sogenannten „Action Agenda“ – also all jener Akteur:innen aus Wirtschaft, Finanzwelt und Zivilgesellschaft, die nicht direkt verhandeln, aber entscheidend für die praktische Umsetzung sind. Marina Grossi, Sonderbeauftragte für die Privatwirtschaft bei COP30, erklärt, dass Unternehmen, Investoren und zivilgesellschaftliche Gruppen in diesem Jahr stärker denn je in konkrete Maßnahmen einsteigen sollen – etwa durch neue Finanzinstrumente, branchenspezifische Allianzen und Projekte zur Regenwaldwiederaufforstung. Der Finanzexperte Aniket Shah zeigt auf, dass zwar mittlerweile zwei Dollar in klimafreundliche Technologien fließen für jeden Dollar in fossile Investitionen – dennoch aber 80 Prozent der weltweiten Primärenergie noch immer aus fossilen Quellen stammen. Er betont, dass der Erfolg der Klimawende primär an der Frage gemessen werden sollte, ob sich profitable Geschäftsmodelle etablieren lassen – unabhängig von politischen Großereignissen. Sue Reid von Global Optimism erinnert daran, dass Artikel 2.1c des Paris-Abkommens sämtliche Finanzströme mit seinen Zielen in Einklang bringen will; entsprechend sei die Finanzbranche nicht nur willkommen, sondern verpflichtet, sich einzubringen. Schließlich wirft der chilenische Unternehmer Daniel Gajardo einen Blick auf Lateinamerika: Obwohl die Region 40 Prozent der weltweiten Biodiversität beherbergt und mehr als acht Prozent der Weltbevölkerung umfasst, fließen weniger als ein Prozent der weltweiten Klimainvestitionen dorthin – ein Missverhältnis, das dringend korrigiert werden müsse.
### Tether werde für illegale Aktivitäten genutzt
Eine zentrale Erkenntnis der Episode sei, so die Moderatoren, dass der politische Druck zwar durch die USA unter Präsident Trump nachlasse, der wirtschaftliche Druck jedoch durch veränderte Kostenstrukturen zunehme. Wie Aniket Shah feststellt, würden Investitionen in erneuerbare Energien und andere Klimaschutztechnologien mittlerweile „weil es sich lohnt“ erfolgen – nicht aus politischem Auftrag. Dennoch bleibe die Frage offen, ob sich diese Dynamik über Jahre halten lasse, sollten Rahmenbedingungen wie Subventionen wegfallen.
### Die Action Agenda sei „wo das Rennen entschieden wird"
Laut Marina Grossi könne die Action Agenda als „Bewegung der Praktiker:innen“ verstanden werden, die parallel zu den Verhandlungen Lösungen skaliert. Dabei gehe es nicht nur um Selbstverpflichtungen, sondern um konkrete Koalitionen, beispielsweise für nachhaltige Landwirtschaft, Carbon Markets oder Finanzierungsmodelle wie das Tropical Forests Forever Facility. Ob die Konferenz letztlich als „COP der Umsetzung“ in die Geschichte eingehe, hänge davon ab, ob solche Initiativen über die Konferenz hinaus institutionalisiert würden.
### China habe die Führung im Niedrig-Carbon-Bereich übernommen
Aniket Shah erwartet von COP30 vor allem ein Signal, dass China als geopolitische und technologische Führungsmacht im Klimaschutz anerkannt wird. Die Volksrepublik habe durch konsequente Industriepolitik nicht nur die weltweiten Kosten für Solar- und Batterietechnik gesenkt, sondern auch Handelsbeziehungen mit über 150 Ländern aufgebaut, die nun als Multiplikator für saubere Technologien dienen könnten. Die USA hingegen, so die Kritik, würden durch ihre Ablehnung wissenschaftlicher Empfehlungen an Einfluss verlieren.
### Die Finanzbranche solle sich auf ihre Rolle als „Analyst“ besinnen
Ein wiederkehrenderes Argument laute: Die Finanzindustrie habe sich in den letzten Jahren zu sehr mit Advocacy beschäftigt und zu wenig mit analytischer Klarheit. Shah fordert eine Trennung von Analyse und Advocacy: Nur wer die Welt so beschreibe, wie sie tatsächlich sei, könne langfristig Vertrauen gewinnen – und somit auch langfristig Kapital in die richtigen Projekte lenken. Daraus ergebe sich die Notwendigkeit, an Finanzminister:innen heranzutreten, aber primär mit Daten statt mit Appellen.
### Lateinamerika biete ein fast ungenutztes Potenzial
Daniel Gajardo macht deutlich, dass sich Lateinamerika durch Nähe zu den Problemen, hohe Biodiversität und wachsende Märkte ideal für klimafreundliche Innovationen eigne. Trotzdem stammen 55–60 Prozent der Investitionen aus dem globalen Norden; ein erfolgreiches Unternehmen wie das argentinische Agrar-Start-up Puna Bio sichere sich zwar lokale Exzellenz, überweise jedoch die Mehrheit der Kapitalrendite in andere Weltregionen. COP30 könne hier als Katalysator dienen, indem sie Investoren aus der Region selbst aktiviere und so extraktive Muster überwinde.
## Einordnung
Die Episode liefert eine bemerkenswert sachliche und selbstkritische Analyse der Rolle von Klimakonferenzen jenseits von Symbolpolitik. Besonders stark ist das Format, wenn es Expert:innen aus Finanz- und Unternehmenswelt zu Wort kommen lässt und dabei klare Fragen stellt: Was bedeutet „Umsetzung“ konkret? Welche Hebel müssen in Bewegung gesetzt werden, damit sich nachhaltige Geschäftsmodelle durchsetzen? Die Moderatoren vermeiden es geschickt, einzelne Länder oder Branchen zu heroisieren – stattdessen wird die Komplexität des Problems sichtbar: Selbst ein scheinbar positiver Kapitalfluss von zwei-zu-eins zugunsten von Klimaschutztechnologien reicht nicht aus, wenn parallel Strukturen bestehen, die fossile Investitionen weiterhin lukrativ erscheinen lassen. Auffällig ist auch, wie klar die Sprechenden Machtverhältnisse thematisieren: Die USA mögen zwar derzeit auf Bundesebene blockieren, doch der globale Süden – besonders China und Lateinamerika – gewinne an Einfluss. Gleichzeitig bleibt eine gewisse Elite-Perspektive spürbar: Die großen Lösungen werden vor allem in Boardrooms, Finanzministerien und Start-up-Hubs verhandelt; lokale Akteur:innen, indigene Gruppen oder kritische Wissenschaftler:innen bleiben Randfiguren. Insgesamt bietet die Episode eine informative, gut recherchierte Diskussion, die sich nicht mit leeren Selbstverpflichtungen zufriedengeben will, sondern nach konkreten Indikatoren für Erfolg oder Scheitern sucht.