Berlin Code – mit Linda Zervakis: Drohnen, NATO und Baerbock in New York
Der Berlin Code Podcast zeigt, wie russische Drohnenangriffe über Polen die NATO testen und Deutschland bei der Drohnenabwehr fundamental unvorbereitet ist.
Berlin Code – mit Linda Zervakis
36 min read1770 min audioDer Berlin Code Podcast diskutiert die russischen Drohnenangriffe über Polen und die diplomatischen Folgen. Die ARD-Korrespondent:innen Ruth Kirchner und Uli Hauck erklären, dass Russland mit 17 Drohnen den polnischen Luftraum verletzt habe, was als gezielte Provokation und Test der NATO-Abwehrbereitschaft gewertet werde. Die Bundesregierung habe den russischen Botschafter einbestellt und die polnische Regierung den NATO-Artikel 4 aktiviert. Gleichzeitig werde Baerbocks Instagram-Video aus New York kritisch als Selbstdarstellung diskutiert. Die Expert:innen betonen, Deutschland sei auf Drohnenangriffe schlecht vorbereitet und die Diskrepanz zwischen europäischer und US-amerikanischer Reaktion offenbare Bündnisschwächen.
### Russische Drohnen als gezielte NATO-Provokation
Die Expert:innen würden davon ausgehen, dass die 17 russischen Drohnen absichtlich über polnischem Gebiet geflogen seien. Wie Uli Hauck erkläre, gebe es "keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese Drohnen aus Versehen auf dieser Route über Polen geflogen sind". Die Aktion werde als neue Qualität hybrider Kriegsführung interpretiert, bei der Russland testen wolle, "wie lange braucht die NATO, um überhaupt diese Drohnen zu erkennen".
### NATO-Artikel 4 als diplomatische Eskalationsstufe
Polen habe nach dem Vorfall den NATO-Artikel 4 aktiviert, was Beratungen im NATO-Rat erzwinge. Im Gegensatz zum Artikel 5 bedeute dies keine automatischen Beistandsgarantien, sondern lediglich verpflichtende Konsultationen. Die Expert:innen betonen, dass Regierungschefs bewusst von "Provokation" statt "Angriff" sprechen würden, um eine militärische Eskalation mit einer Atommacht zu vermeiden.
### Deutsche Sicherheitslücken bei Drohnenabwehr
Deutschland werde als fundamental unvorbereitet auf Drohnenangriffe beschrieben. Die Bundeswehr habe 2012 die Heeresflugabwehr aufgelöst und die alten Gepard-Panzer an die Ukraine übergeben. Aktuell gebe es "wenig bis gar nichts" als Ersatz. Die Expert:innen warnten, eine vollständige Drohnenabwehr über Deutschlands Fläche sei "derzeit überhaupt nicht möglich".
### Gespaltene westliche Reaktion offenbart Bündnisschwächen
Besonders beunruhigend sei die unterschiedliche Reaktion: Während europäische Staaten geschlossen aufträten, habe US-Präsident Trump den Vorfall heruntergespielt. Diese Diskrepanz werde im Kreml wahrgenommen und könne als Schwäche des Bündnisses interpretiert werden. Die Expert:innen vermuten, genau diese Spaltung sei Teil der russischen Strategie.
### Baerbocks Instagram-Video als Selbstdarstellung
Annalena Baerbocks Video aus einem New Yorker Bagel-Laden werde kontrovers diskutiert. Die Expert:innen würden es als "cringy" und "sehr viel Selbstdarstellung" kritisieren, das an "Sex and the City" erinnere. Gleichzeitig werde darauf hingewiesen, dass männliche Politiker wie Markus Söder ähnliche Social-Media-Auftritte nutzen würden, ohne vergleichbar kritisiert zu werden.
## Einordnung
Der Podcast zeigt journalistische Professionalität durch sachliche Analyse komplexer sicherheitspolitischer Zusammenhänge. Die Expert:innen differenzieren zwischen Provokation und Angriff, erklären NATO-Mechanismen anschaulich und benennen deutsche Fähigkeitslücken offen. Besonders wertvoll ist die Einordnung der Drohnenvorfälle als Teil russischer Hybridkriegs-Strategie. Die Diskussion um Baerbocks Social-Media-Auftritt wirkt dagegen etwas aufgebauscht und lenkt von den sicherheitspolitischen Kernfragen ab. Der Podcast liefert fundierte Hintergrundinformationen zu einem aktuellen Bedrohungsszenario, ohne in Panikmache zu verfallen. Die Expert:innen vermitteln ein realistisches Bild der Lage und machen die Komplexität der Lage für Laien verständlich.
Hörempfehlung: Klare Empfehlung für alle, die sich für aktuelle Sicherheitspolitik und die realen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die NATO interessieren.