In dieser Ausgabe von "Blood in the Machine" zieht der Autor Brian Merchant nach sechs Monaten als Vollzeit-Newsletter-Autor eine persönliche und transparente Bilanz. Er legt die finanzielle Situation seines Projekts offen und beschreibt den Spagat zwischen wachsender Reichweite – der Newsletter hat sich auf über 27.600 Abonnent:innen verdreifacht – und der prekären Realität. Mit einer Konversionsrate von 4,5 % zu zahlenden Leser:innen liegt er unter dem Plattformdurchschnitt, was zu finanziellem Druck führt. Merchant reflektiert: "My wife has been asking me lately when exactly I can start to chill out. Soon, I say, I hope, soon!" Er stellt fest, dass seine Arbeit als unabhängiger Autor inzwischen eine ähnliche professionelle Anerkennung erfährt wie bei etablierten Medien, da seine Artikel von großen Zeitungen zitiert werden. Ein zentraler Punkt ist die psychologische Belastung durch die ständige Verfügbarkeit von Leistungsdaten. Die Abhängigkeit von Algorithmen und die Notwendigkeit, konstant Inhalte zu produzieren, um relevant zu bleiben, erzeugen einen permanenten Druck. Merchant analysiert seine Geschäftsstrategie und kommt zum Schluss, dass er zur Sicherung der Finanzierung mehr Inhalte hinter eine Paywall stellen und die Frequenz seiner Beiträge erhöhen muss. Er thematisiert auch kritisch seine Entscheidung, auf der Plattform Substack zu bleiben, obwohl diese auch rechtsextreme Inhalte duldet, und wägt den Nutzen der Netzwerk-Effekte gegen die ethischen Bedenken ab. Der gesamte Text ist ein detaillierter Einblick in die materiellen und emotionalen Bedingungen des unabhängigen, leser:innengesponserten Journalismus im Jahr 2025. ## Einordnung Brian Merchant rahmt seine Analyse als authentischen Werkstattbericht, der eine direkte, fast intime Beziehung zu seinen Leser:innen aufbauen soll. Die Perspektive ist ausschließlich die des unabhängigen Autors, der sich im Spannungsfeld zwischen publizistischem Anspruch, unternehmerischer Notwendigkeit und Plattform-Logik bewegt. Die implizite Annahme ist, dass kritischer, linker Journalismus im kollabierenden Mediensystem nur durch ein solches Patronat:innenmodell überleben kann. Der Text dient damit auch klar dem Eigeninteresse: Durch maximale Transparenz über seine finanzielle und emotionale Lage wirbt er um die Solidarität und Zahlungsbereitschaft seines Publikums. Es ist ein meisterhaft formulierter Spendenaufruf, der die eigene Arbeit als wertvollen, aber gefährdeten Widerstand gegen "Tech-Oligarchen" inszeniert. Argumentative Schwächen oder Auslassungen gibt es kaum, da der Text als subjektiver Erfahrungsbericht angelegt ist. Die linke, antikapitalistische Grundhaltung des Newsletters wird hier auf die Metaebene der eigenen Produktionsbedingungen übertragen. Die gesellschaftliche Relevanz des Textes liegt darin, die ökonomische Realität hinter der sogenannten "Creator Economy" zu beleuchten. Der Newsletter ist besonders lesenswert für Menschen, die selbst mit dem Gedanken spielen, schreibend unabhängig zu arbeiten, sowie für alle, die verstehen wollen, unter welchen Bedingungen kritischer Online-Journalismus heute entsteht. Für Leser:innen, die primär an Merchants Tech-Analysen interessiert sind, bietet diese Ausgabe hingegen wenig Neues. Länge des Newsletters: 32883