Der Tag: Bürokratieabbau - Geht Staat auch effizient und bürgernah?

Diskussion über Verwaltungsmodernisierung durch Digitalisierung und EU-Reaktionen auf Trumps Zolldrohungen mit fundierten Experteneinschätzungen.

Der Tag
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Der Deutschlandfunk-Podcast behandelt zwei zentrale Themen: die Reformvorschläge der "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" zur Modernisierung der deutschen Verwaltung und die EU-Reaktion auf Donald Trumps Zollankündigung. Moderatorin Josefine Schulz diskutiert zunächst mit der Juristin und Digitalisierungsexpertin Julia Borggräfe über Bürokratieabbau und Verwaltungsmodernisierung. Borggräfe plädiert für eine Digitalisierung der Verwaltungsprozesse als Hauptlösung, warnt aber vor zu schnellen Reformen ohne durchdachte Umsetzung. Im zweiten Teil analysiert Klaus Remme aus Brüssel die gespaltene EU-Reaktion auf Trumps Ankündigung von 30 Prozent Zöllen auf EU-Waren: Während die Kommission auf Verhandlungen setzt, fordern andere härtere Gegenmaßnahmen. Der Podcast zeigt die Komplexität beider Herausforderungen auf und bietet fundierte Einblicke in aktuelle politische Debatten. ### Digitalisierung als Schlüssel zur Verwaltungsmodernisierung Julia Borggräfe sieht in der Digitalisierung den Hauptschlüssel für einen effizienteren Staat. Sie argumentiert, dass Deutschland nicht weniger Einzelfallgerechtigkeit brauche, sondern bessere technische Umsetzung: "Man könnte diese Prozesse ja weitestgehend digitalisieren. Das sind oftmals wenn-dann-Prozesse, das heißt, wenn eine bestimmte Voraussetzung vorliegt, dann kommt eine bestimmte Rechtsfolge zum Tragen." Das Problem liege nicht im Rechtsstaatsprinzip, sondern in fehlender Standardisierung und Interoperabilität zwischen Behörden. ### Warnung vor übereilten Reformen Trotz der Dringlichkeit warnt Borggräfe vor zu schnellen Gesetzesänderungen: "Ich habe ein bisschen Sorge, wenn ich solche Dinge höre, dass man innerhalb von einem halben Jahr jetzt irgendwie noch 60 Gesetze auf die Strecke bringen möchte, weil das, was es oft schwer macht am Ende der Umsetzung, das ist eben diese Operationalisierung." Sie plädiert für eine sorgfältige Durchdachtheit der Umsetzung in der Praxis. ### EU gespalten über Trump-Reaktion Die EU zeigt sich uneinig über den Umgang mit Trumps Zolldrohungen. Während die Kommission auf Verhandlungen bis zum 1. August setzt, fordern andere härtere Maßnahmen. Klaus Remme berichtet: "Die Kommission hängt offenbar der Theorie an, dass es jetzt falsch wäre, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, sondern setzt auf den Faktor Zeit." Kritiker befürchten, dass Nachgiebigkeit Trump nur ermutigen könnte. ### Massive wirtschaftliche Auswirkungen befürchtet Die angekündigten 30 Prozent Basiszölle würden etwa 70 Prozent der EU-Exporte in die USA treffen. Remme zitiert Experten, die warnen, dass "praktisch gäbe es den Handel, so wie wir ihn kennen, dann nicht mehr" bei einer Umsetzung der Zölle. Die transatlantische Handelsbeziehung umfasst 1,7 Billionen Euro Handelsvolumen. ## Einordnung Der Podcast zeigt journalistische Sorgfalt in der Behandlung komplexer politischer Themen. Die Diskussion über Verwaltungsmodernisierung basiert auf der sachkundigen Expertise Julia Borggräfes, die differenziert zwischen notwendigen technischen Verbesserungen und rechtsstaatlichen Prinzipien unterscheidet. Ihre Betonung der Digitalisierung als Lösung wirkt plausibel, auch wenn alternative Ansätze wie Vertrauensvorschüsse oder grundsätzliche Vereinfachungen nur oberflächlich behandelt werden. Die Warnung vor übereilten Reformen ist berechtigt und zeigt politische Realitätsnähe. Bei der Zoll-Thematik bietet Klaus Remme eine ausgewogene Darstellung der verschiedenen EU-Positionen, ohne selbst politisch zu werten. Die Berichterstattung macht die Komplexität der Entscheidungsfindung nachvollziehbar und zeigt sowohl die Risiken einer Eskalation als auch die Gefahren von Nachgiebigkeit auf. Allerdings fehlen kritische Stimmen zur grundsätzlichen Handelsabhängigkeit oder alternative wirtschaftspolitische Konzepte, die über kurze Erwähnungen hinausgehen. Die Diskussion bleibt weitgehend im Rahmen bestehender handelspolitischer Paradigmen und hinterfragt diese nicht grundsätzlich.