Atze Schröder und Psychologe Leon Windscheid diskutieren in der Folge „Menschen sind faul – warum wir trotzdem Herausforderungen suchen“ das sogenannte „Effort Paradox“: die Lust auf Anstrengung trotz unserer angeborenen Bequemlichkeit. Sie erzählen vom Extremwanderer Karl Bushby, der sich auf den längsten Fußmarsch der Welt begab – obwohl er selbst sagt, dass er Gehen hasst. Windscheid führt drei psychologische „Gaspedale“ ein: den IKEA-Effekt (wir schätzen Dinge höher, wenn wir sie selbst erarbeitet haben), den Martin-Luther-Effekt (Anstrengung als Identitäts- und Sinnbeweis) sowie den Raufasertapeten-Effekt (Belohnung durch Ablenkung vom Alltag). Die beiden belegen ihre Thesen mit Studien und persönlichen Anekdoten – etwa, warum Menschen freiwillig Marathon laufen oder sich komplizierte Romane lesen. Am Ende plädieren sie dafür, Achtsamkeit als Bremse einzubauen, damit die Suche nach Herausforderung nicht zur Selbstausbeutung wird. ### 1. IKEA-Effekt: Mühsam erarbeitete Objekte gewinnen an Wert Windscheid zitiert eine Harvard-Studie, bei der Proband:innen eine einfache Pappbox selbst zusammengebaut oder fertig vorgefunden bekamen. Wer sich anstrengte, bewertete dieselbe Box im Nachhinein deutlich höher (78 Cent vs. 48 Cent Zahlungsbereitschaft). Daraus lasse sich schließen, dass Menschen Anstrengung nachträglich rechtfertigen, indem sie das Ergebnis überhöhen: „Ich habe mich angestrengt, ich habe was getan.“ ### 2. Martin-Luther-Effekt: Anstrengung als Identitätsstiftung Laut Windscheid nutzen Menschen Mühe, um sich selbst zu definieren – ähnlich wie Martin Luther mit dem historischen Wort „Hier stehe ich“ seine Überzeugung unterstrich. Studien zeigen, dass Menschen schwierige Aufgaben wählen, wenn sie glauben, dadurch „ihre wahren Farben“ zu zeigen. Der Effekt entfalte sich besonders, wenn die Anstrengung mit Freiwilligkeit und Sichtbarkeit verbunden ist. ### 3. Raufasertapeten-Effekt: Anstrengung als willkommene Ablenkung In einer berühmten Studie wählten Proband:innen, die allein in einem leeren Raum saßen, eher leichte Elektroschocks, um bloß nichts tun zu müssen. Windscheid interpretiert das so: Menschen flüchten sich in (kleine) Mühen, wenn Langeweile oder Selbstreflexion droht. Das sei ein Grund, warum Menschen selbst im Urlaub lieber wandern als „nur“ zu entspannen. ### 4. Das „Paradox der Anstrengung“ ist evolutionär tief verwurzelt Obwohl Energieersparnis evolutionär sinnvoll ist, entscheiden sich laut Umfrage rund 33 % der Menschen freiwillig für die schwierigere Variante, wenn sie die Wahl haben. Diese Minderheit treibe Sport, liest anspruchsvolle Literatur oder unternimmt Fernreisen. Der Podcast wirbt dafür, dieses „Gaspedal“ bewusst zu nutzen, statt sich von ihm treiben zu lassen. ### 5. Ohne Bremse droht Selbstausbeutung Abschließend warnen die beiden davor, die Lust auf Anstrengung zur Selbstoptimierung zu missbrauchen. Wer ständig „noch eine Schippe drauflegt“, riskiere Burn-out oder den Verlust der Lebensfreude. Sie plädieren für bewusste Phasen der Ruhe und für eine Balance zwischen Herausforderung und Erholung. ## Einordnung Die Folge zeigt, wie ein Unterhaltungsformat wissenschaftliche Erkenntnisse leicht verdaulich verpackt. Windscheid liefert dabei eine souveräne, aber zugängliche Übersicht aktueller Psychologie-Forschung; Schröder fügt mit Comedy-Seitenhieben und Selbstironie den nötigen Kitsch-Faktor. Positiv: Es gelingt ihnen, komplexe Studien in anschauliche Alltagsbeispiele zu übersetzen, ohne seriöse Inhalte zu verfälschen. Kritisch: Persönliche Anekdoten dominieren teils so stark, dass systemische oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen (z. B. Arbeitszwang, soziale Ungleichheit) ausgeblendet bleiben. Die Botschaft bleibt individualistisch: Wer sich anstrengt, hat „Gaspedale“ im Kopf – wer aussteigt, besitzt „Bremsen“. Dabei bleibt unerwähnt, dass nicht jede:r die Freiheit hat, zwischen Anstrengung und Bequemlichkeit zu wählen. Trotzdem gelingt den beiden ein unterhaltsamer Perspektivwechsel, der Hörer:innen dazu einlädt, die eigene Beziehung zu Mühe und Erholung neu zu justieren. Hörempfehlung: Wer Psychologie gern mit einem Schuss Comedy und ohne akademischen Fachchinesen mag, findet hier eine kurzweilige und zugleich lehrreiche Stunde.