Anne Will spricht mit der Friedens- und Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff über die jüngsten diplomatischen Bewegungen rund um den Ukraine-Krieg. Deitelhoff wertet die Treffen in Alaska und Washington als „Lernerfolg“ für Donald Trump, der nun erkenne, dass Putin ihn nicht ernst nehme. Die Expertin betont, dass die USA erstmals wieder über konkrete Sicherheitsgarantien für die Ukraine nachdenken würden – auch wenn diese vage bleiben. Ein zentraler Konflikt sei die Frage, ob ein Waffenstillstand vor Friedensgesprächen nötig sei; die Ukraine habe daran ein vitales Interesse, Russland hingegen nutze Verhandlungen als Zeitgewinn. Deitelhoff schätzt, dass ein nachhaltiger Friedensprozess mindestens zehn Jahre dauern könnte und mahnt, die westliche Unterstützung langfristig aufrechtzuerhalten. Besonders bemerkenswert: Sie hält eine Nominierung Trumps für den Friedensnobelpreis für denkbar, um ihn zu stärkerem Engagement zu bewegen. ### Trump habe gelernt, dass Putin ihn nicht ernst nehme Deitelhoff erkennt einen „riesen Fortschritt“ darin, dass Trump offenbar begreife, „dass Putin ihn nicht ernst nimmt“. Dies habe die US-Administration dazu gebracht, erstmals wieder über konkrete Unterstützung für die Ukraine nachzudenken. ### USA überlegen Luftunterstützung – ein „ganz anderer Zungenschlag" Seit dem Washingtoner Gipfel höre man, „die USA überlegen Luftunterstützung zu machen“ und seien bereit, „sich irgendwie mit einzubringen in der Sicherheitsgarantie“. Das sei ein deutlicher Wandel zur vorherigen Ablehnung. ### Waffenstillstand als Zielscheibe – Russland spielt auf Zeit Die Expertin warnt, Russland nutze taktische Verhandlungen, um parallel weitere Angriffe zu fahren: „Werden die Drohnenangriffe intensiviert, erleben wir noch mal mehr Marschkörper auf ukrainische Großstädte.“ ### Friedensprozess dauert womöglich eine Dekade Deitelhoff rechnet realistisch mit „einer schwierigen Dekade“, bis sich ein stabiler Frieden etabliere. Nur zwei von drei Friedensprozessen hielten überhaupt, und bei nachhaltigem Frieden sei man „eher so bei der Hälfte“. ### Friedensnobelpreis als Druckmittel für Trump Die Expertin bringt die halbironische Idee ins Spiel, Trump für den Friedensnobelpreis zu nominieren: „Wenn es gelänge, diesen Mann dazu zu bringen [...] dann hätte er diesen Friedensnobelpreis wirklich verdient." ## Einordnung Anne Will führt das Gespräch auf hohem journalistischen Niveau: Sie hinterfragt optimistische Einschätzungen scharf („ist das dann substanziell neues erreicht?“), verlangt nach konkreten Details und spiegelt die widersprüchliche Wahrnehmung in Politik und Medien wider. Deitelhoff liefert fundierte Analysen, bleibt aber bewusst nüchtern – weder übertriebene Hoffnung noch Pessimismus dominieren. Besonders bemerkenswert: Die Diskussion um mögliche Motivationsstrategien für Trump (Nobelpreis-Vorschlag) zeigt, wie sehr sich klassische Diplomatie in Zeiten populistischer Politik verändern muss. Fehlende Perspektiven: Ukrainer:innen und Russ:innen selbst kommen nicht zu Wort, der Fokus liegt auf westlichem Machtkalkül. Insgesamt eine kluge, differenzierte Auseinandersetzung, die ohne Polemik auskommt und dennoch die Brisanz der Lage deutlich macht.