RONZHEIMER.: Warum es so schwer ist, über Gaza zu berichten. Mit Richard C. Schneider

Erfahrener Nahost-Korrespondent analysiert die politischen Kalküle hinter dem Gaza-Krieg und warum nur Washington ihn beenden könnte.

RONZHEIMER.
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Der Podcast "RONZHEIMER." widmet sich in dieser Folge dem Israel-Hamas-Krieg und dessen globaler Wahrnehmung. Paul Ronzheimer spricht mit dem erfahrenen Nahost-Korrespondenten Richard C. Schneider, der seit Jahrzehnten aus der Region berichtet. Die Diskussion konzentriert sich auf die politischen Dynamiken innerhalb Israels, die Rolle von Benjamin Netanyahu, die Verhandlungen mit der Hamas und die deutsche Rüstungsexportpolitik. ### 1. Die Hamas nutze ihre eigene Bevölkerung zynisch als Schutzschild Richard C. Schneider betont, dass die Hamas bewusst ihre Zivilbevölkerung in Gefahr bringe, um Israel international zu isolieren: "Die Hamas eine Terrororganisation ist, die erstens auch Kriegsverbrechen begeht, die zweitens ihre eigene Bevölkerung genau in diese Situation gebracht hat und bringen wollte, um eine internationale Situation herauf zu beschwören." ### 2. Netanyahu verlängere den Krieg aus Machtkalkül Schneider wirft Netanyahu vor, den Krieg bewusst in die Länge zu ziehen: "Netanyahu hat ja immer wieder gesagt, er will den totalen Sieg über die Hamas... aber es wurde immer deutlicher, dass es gar nicht um einen totalen Sieg geht, sondern dass der Krieg in die Länge gezogen wird." Dies geschehe, um seine rechtsextremen Koalitionspartner zufriedenzustellen und an der Macht zu bleiben. ### 3. Die israelische Armee stehe im Konflikt mit der Politik Ein bemerkenswerter Dissens bestehe zwischen Militärführung und Regierung: "Der Generalstabschef der israelischen Armee... und auch die gesamte Generalität [ist] komplett gegen den Plan Netanyahus, Gaza Stadt einnehmen zu wollen." Die Militärs warnten vor hohen Verlusten und der Gefahr für Geiseln. ### 4. Die deutsche Rüstungspolitik wirke sich kontraproduktiv aus Schneider kritisiert die deutschen Rüstungslieferstopp-Beschlüsse als ineffektiv: "Durch die Tatsache, dass wir diese Munition nicht mehr liefern, ist es eigentlich schlimmer für die Zivilbevölkerung, solange der Krieg weitergeht." Israel werde zu weniger präzisen Waffen gezwungen. ### 5. Die Berichterstattung aus Gaza unterliege massiven Einschränkungen Beide Seiten kontrollierten die Medienberichterstattung: Während die Hamas Journalisten unter Druck setze, habe auch die israelische Seite die Zugangsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Schneider berichtet von "einem Spitzelsystem" und politisch motivierten Übersetzungsfehlern durch lokale Helfer. ### 6. Ein Kriegsende hänge vom US-Präsidenten ab Schneider sieht die einzige realistische Chance für ein schnelles Kriegsende in Washington: "Ich denke, es gibt einen Mann, der diesen Krieg beenden könnte sofort, wenn er wollte, und der sitzt im Weißen Haus." Allerdings sei Trump derzeit wenig interessiert an einer Eskalation des Drucks auf Israel. ## Einordnung Diese Podcastfolge zeigt journalistische Professionalität durch die differenzierte Auseinandersetzung mit einem hochkomplexen Konflikt. Schneider gelingt es, die Perspektive Israels zu erklären, ohne die palästinensische Seite zu ignorieren. Besonders bemerkenswert ist die Offenheit, mit der interne israelische Konflikte zwischen Militär und Politik thematisiert werden. Die Diskussion um die deutsche Rüstungspolitik bleibt dabei sachlich und vermeidet einfache Schuldzuweisungen. Kritikwürdig ist allerdings, dass palästinensische Perspektiven nur indirekt durch die Schilderung von Berichterstattungshindernissen Einzug finden - konkrete palästinensische Stimmen fehlen vollständig. Die Analyse der Machtverhältnisse innerhalb Israels ist dagegen ausgesprochen detailliert und liefert wichtige Einblicke in die politischen Kalküle hinter dem Krieg.