Was bisher geschah - Geschichtspodcast: Update + Nils' auserwählte Lieblingsfolge
Geschichtsjournalismus mit Heimatbezug: Die Saarland-Folge erklärt, warum rechte Parteien dort kaum Erfolg haben.
Was bisher geschah - Geschichtspodcast
45 min read3171 min audioDer Geschichtspodcast "Was bisher geschah" bittet um Unterstützer:innen, nachdem der Sponsor ausgestiegen ist. Als Dankeschön wird eine Wiederholung der beliebten Saarland-Folge ausgesendet. darin erzählt Historiker Nils Minkmar, warum das kleinste deutsche Bundesland trotz struktureller Ähnlichkeit mit benachbarten Regionen kaum AfD-Wähler:innen hat: hohe Migrationserfahrung, Eigenheimbesitz, starke Vereinskultur und direkte demokratische Teilhabe verhindern nach seiner Überzeugung erfolgreich rechte Mobilisierung. Die Episode zeichnet zudem die wechselvolle Geschichte des Saarlands von der Industriepionierzeit über Kriegs- und Fremdherrschaft bis zur Rückkehr in die Bundesrepublik 1957 nach.### Saarländische Lokomotive scheiterte 1818 knapp am europäischen Rekord
Die ersten Saarländer:innen wollten 1818 eine dampfbetriebene Lokomotive bauen, um Kohle zur Schiffladestelle zu befördern; die Maschine kam zwar in 178 Einzelteilen aus Berlin, ließ sich aber vor Ort nicht zusammensetzen – vier Jahre bevor überhaupt die deutsche Eisenbahn offiziell startete. „Monatelang hat man versucht, dieses Ding zum Laufen zu bringen. Ist nicht gelungen.“
### 1935 stimmten 90 % freiwillig für Hitler-Deutschland
Bei der Volksabstimmung 1935 entschieden sich die Saarländer:innen trotz wachsender Diktaturzeichen mit großer Mehrheit für den Anschluss an das NS-Reich; es war der erste außenpolitische Triumph Hitlers ohne Gewalt. „Die Saarländer haben sich damals freiwillig für Hitler entschieden … anders als andere Deutsche.“
### Rechte Parteien finden im Saarland kaum Wähler:innen
Obwohl strukturelle Voraussetzungen (Industriestruktur, Arbeitslosigkeit, Grenzlage) eigentlich rechte Erfolge erwarten ließen, liegt die AfD hier dauerhaft deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Minkmar führt das auf frühe Migrationserfahrung, hohen Eigenheimanteil und starke lokale Demokratie zurück. „Die geringe Rolle, die die extreme Rechte … im Saarland spielen … hat mit der Geschichte des Saarlandes zu tun.“
### „Bewegungslose Reise“ durch fünf Staatsangehörigkeiten ohne Umzug
Ohne je den Wohnort zu wechseln, konnten Saarländer:innen zwischen 1900 und 1957 fünf verschiedene Ausweise sammeln – je nach politischer Herrschaft wechselte die Nationalität. „Du warst deutscher, du warst Ausländer, du warst französisch verwaltet … fünf verschiedene amtliche Identitäten in sehr kurzer Zeit.“
### 1954 verlor das Saarland gegen die späteren Weltmeister
Bei der WM-Qualifikation 1954 bezwang die Bundesrepublik das Saarland zweimal; beide Spiele verlor das kleine Land deutlich. Der saarländische Trainer Helmut Schön wurde später mit der deutschen Elf Weltmeister. „Das Saarland hat zweimal verloren … der Trainer der Saarländer ist … Helmut Schön.“
### Marpingener Mädchen sahen 1876 Maria und landeten in Besserungsanstalt
Während des preußischen Kulturkampfes berichteten drei Achtjährige eine Marienerscheinung; 20 000 Pilger:innen strömten in den Wald, die Behörde räumte das Gelände mit Bajonetten. Die Kinder mussten fünf Wochen ohne Eltern in eine Erziehungsanstalt. „Diese drei Mädchen … für fünf Wochen in eine Besserungsanstalt … Eine wirklich harte und ungerechte Strafe.“
## Einordnung
Die Episode ist ein Musterbeispiel für publikumsorientierten Geschichtsjournalismus: Minkmar verbindet persönliches Heimatverständnis mit fundierten Daten, wertet aber nie aus, sondern lässt Hörer:innen selbst urteilen. Besonders bemerkenswert ist die argumentative Konstruktion, die die geringe AfD-Erfolgsmarge nicht einfach beschreibt, sondern historisch tief begründet – ohne dabei andere Regionen pauschal abzuwerten. Die lockere Gesprächsdramaturgie zwischen Telgenbüscher und Minkmar funktioniert wie ein Geschichts-Quiz: Der Interviewer stellt gezielt die Fragen, die Zuhörer:innen gerade formulieren würden. Kritisch anzumerken ist, dass die These von der „Immunität“ gegen Rechtsradikalismus ohne Gegenstimmen bleibt; wissenschaftliche Kontroversen oder differenzierende Sozialstudien fehlen. Dennoch gelingt ein unterhaltsamer, informationsreicher Bogen von 1818 bis heute, der Lust auf weitere Recherche macht.