The Lawfare Podcast: Lawfare Archive: David Pozen on ‘The Constitution of the War on Drugs’
Eine historische und juristische Analyse darüber, warum die US-Verfassung den Drogenkrieg kaum bremste.
The Lawfare Podcast
3326 min audioDas Gespräch zwischen Jack Goldsmith und David Pozen, Professor für Verfassungsrecht an der Columbia Law School, fokussiert auf dessen Buch „The Constitution of the War on Drugs“. Es geht darum, warum die US-Verfassung den „Krieg gegen Drogen“ kaum eingeschränkt habe. Pozen zeigt auf, dass das Supreme Court die Harrison Narcotics Act von 1914 und spätere Prohibitionsgesetze weitgehend bestätigte – trotz anfänglicher Zweifel an der bundesstaatlichen Kompetenz. Die frühen Drogenverbote seien rassistisch motiviert gewesen, insbesondere gegen chinesische Migrant:innen gerichtet. Verfassungsrechtliche Einwände wie Persönlichkeitsrechte, Gleichheitsgrundsatz oder Föderalismus seien vom Gericht systematisch zurückgewiesen worden; Verfassungsinterpretation habe den Drogenkrieg nicht nur geduldet, sondern mitbefördert. Heute werde die Debatte durch wachsende Entkriminalisierung und staatliche Legalisierungsbestrebungen geprägt, was neue verfassungsrechtliche Spannungen erzeuge.
### 1. Frühe Drogenverbote als rassistisches Projekt
Pozen zufolge begann der bundesstaatliche Drogenprohibitions app. 1887 mit Gesetzen, die ausschließlich „Chinese immigrants addicted to opium“ vom Einwanderungsrecht ausschlossen. Diese rassistisch selektive Regelung habe Präzedenz gesetzt für spätere Kontrollmaßnahmen und zeige, dass „a kind of racialized, xenophobic moral panic“ konstitutiv für den Drogenkrieg sei.
### 2. Harrison Act etablierte fragwürdige Verfassungspraxis
Der Harrison Narcotics Act von 1914 sei als Steuergesetz getarnt worden, um den Verfassungskompetenzen zu entsprechen. Die Supreme-Court-Entscheidungen ließen „exorbitant“ hohe Besteuerung und bürokratische Hürden gelten, wodurch faktisch ein Prohibitionsregime entstand. Die Richter:innen signalisierten damit früh, dass sie Ausweitungen der Bundesgewalt nicht per se stoppen würden.
### 3. Verfassungsdogmen blieben folgenlos
Klagen, die sich auf Persönlichkeitsrechte (substantive due process), Gleichheitsgrundsatz oder den Föderalismus stützten, seien „largely not been receptive“ durch die Gerichte. Pozen konstatiert: die Verfassung habe den Krieg gegen Drogen nicht nur nicht gebremst, „constitutional actors as helping to make it, and helping to sustain it“.
### 4. Von Prohibition zur Legalisierung – neue verfassungsrechtliche Lücke
Heutige Trends zur Entkriminalisierung und staatliche Legalisierung (z. B. Cannabis) führten zu Spannungen zwischen Bundes- und Landesrecht. Die Diskussion offenbare, dass der politische Prozess sich schneller bewege als die Verfassungsauslegung, wodurch neue Fragen zur Gewaltenteilung und zum Commerce Clause entstünden.
## Einordnung
Das Gespräch ist kein Lifestyle-Format, sondern ein Fachgespräch mit journalistischem Anspruch. Die Argumentation bleibt auf akademischem Niveau, verzichtet auf polemische Effekte und klammert wesentliche Gegenpositionen nicht aus. Interessant ist, dass Pozen die Geschichte des Drogenkriegs weniger als Fehlverhalten einzelner Politiker:innen denn als systemisches Ergebnis von Rechtsprechung und Verfassungsinterpretation rekonstruiert. Dabei gelingt es ihm, rassistische Motivlagen früher Gesetzgebung sachlich zu benennen, ohne in moralisierende Rhetorik zu verfallen. Gleichwohl bleiben manche Perspektiven unterbelichtet: die Betroffenenstimmen von Drogengebrauchenden oder kritische Polizeistudien zu racial profiling werden nicht eingebunden; auch die internationalen Dimensionen des US-geprägten Drogenkriegs fehlen weitgehend. Die Diskussion reproduziert damit eine akademisch-administrative Sicht, ohne Machtasymmetrien innerhalb der Gesetzgebung tiefer zu hinterfragen. Dennoch bietet der Podcast luzide Einblicke in die Verfassungsgeschichte und zeigt, wie juristische Deutungsmuster soziale Realitäten mitformen – für Hörer:innen, die sich für Verfassungsrecht, Drogenpolitik oder die Rolle von Gerichten in gesellschaftlichen Konflikten interessieren, ist die Folge eine informative Quelle.
Hörempfehlung: Wer verstehen will, warum der amerikanische Drogenkrieg trotz verfassungsrechtlicher Angriffe Bestand hat, erhält hier eine präzise historische und juristische Analyse.