Byline Podcast: China vs USA: Dan Wang on the clash of superpowers
Technokratische Analyse Chinas Aufstieg zum Engineering-Staat und die Folgen für USA, UK und globale Entwicklungsmodelle.
Byline Podcast
1787 min audioDer Byline Times Podcast mit Adrian Goldberg befasst sich in dieser Folge mit Chinas Aufstieg zur technologischen und wirtschaftlichen Großmacht. Zu Gast ist Dan Wang, Autor des Buches „Breakneck – China's Quest to Engineer the Future“. Das Gespräch konzentriert sich darauf, wie Chinas Staatskapitalismus, geprägt von einem „Engineering-Mindset“ und historischem Selbstverständnis, die globale Machtbalance verschiebt – und was das für den Westen bedeutet.
### 1. Chinas technologische Selbstständigkeit sei historisch begründet
Wang erklärt, Chinas Technologieoffensive basiere auf der tief verwurzelten Erinnerung an die „Jahrhundert der Demütigung“ (1839–1949). Dieses Kollektivtrauma habe der KPCh eine Legitimation gegeben, technologische Abhängigkeit als Sicherheitsrisiko zu definieren. „Es gibt diesen tief sitzenden Wunsch, nie wieder in einer Position zu sein, in der China von ausländischen Mächten schikaniert werden kann.“
### 2. „Engineering-State“ statt Rechtsstaat
Mehr als 80 % der Zentralkomitee-Mitglieder hätten Ingenieursabschlüsse; Politik werde wie eine Maschine konstruiert, nicht juristisch ausgehandelt. Umwelt- und Eigentumsrechte seien „verhandelbare Variablen“, wenn Infrastrukturprojekte wie das Hochgeschwindigkeitsnetz schnell Realität werden sollen.
### 3. Staatskapitalismus nutzt interne Konkurrenz
Trotz zentraler Planung würde der Staat heftigen Wettbewerb zwischen Firmen, Kommunen und Regionen aktiv fördern, weil „Wettbewerb Innovation antreibt“. Die Partei setze auf „bottom-up-Dynamik“, solange sie strategische Ziele nicht gefährde.
### 4. Null-COVID-Strategie als Wendepunkt
Die anfänglich erfolgreiche, dann verharrende Zero-COVID-Politik zeige den Spagat zwischen technokratischem Anspruch und politischer Versteinerung. „Am Anfang war es ein Beispiel für die Engineering-Denke, später für Rigidität – sie haben zu lange daran festgehalten.“
### 5. China bietet Entwicklungsländern ein autoritäres Modernisierungsmodell
Viele Länder Afrikas und Südostasiens betrachteten China laut Wang als Vorbild: „Ohne westliche Demokratie aus Armut ausbrechen, mit Infrastruktur und Planwirtschaft. Das ist ein alternatives Entwicklungsmodell.“
### 6. Westliche Strategie: kooperieren und konkurrieren gleichzeitig
Wang fordert „sophisticated and nuanced approach“: gleichzeitig Investment in Forschung, Schutz geistigen Eigentums und enge Allianzen – plus Klima- und Pandemie-Kooperation mit China.
## Einordnung
Der Podcast folgt einem klassischen Elite-Interviewmuster: ein westlicher Journalist befragt einen US-amerikanischen Think-tank-Autor über die Gefahren und Chancen des chinesischen Aufstiegs. Dabei bleibt die Perspektive klar US-zentriert; chinesische Stimmen fehlen vollständig. Die Annahme, Demokratie sei der natürliche Endpunkt moderner Staatlichkeit, durchzieht das Gespräch unausgesprochen. Wangs Analyse bleibt technokratisch: Menschenrechte oder Arbeitsbedingungen in chinesischen Hochtechnologie-Fabriken werden nicht erwähnt, Umweltprobleme nur als frühere Nebenwirkung abgehandelt. Die argumentative Schwäche liegt in der Generalisierung: „China“ wird als monolithischer Akteur dargestellt, interne Debatten und regionale Unterschiede bleiben unsichtbar. Die bemerkenswerte Offenheit, mit der Wirtschafts- und Technologiedaten präsentiert werden, macht die Folge für Hörer:innen interessant, die sich schnell einen Überblick über die geopolitische Konkurrenz verschaffen wollen – wer aber kritische China-Analysen sucht, sollte ergänzende Quellen konsultieren.