Der sechste und letzte Teil der BBC-Serie „The Magnificent O'Connors“ begleitet Ragnar O'Connor und seine Familie auf ihrer letzten Etappe, um den Mordvorwurf gegen seinen Vater Jimmy O'Connor aus dem Jahr 1943 zu überprüfen. Die zentrale Frage: Stützt eine eigenhändige, aber nicht unterschriebene Aussage aus dem Gefängnis Jimmy’s Täterschaft – oder war sie eine Fälschung, ein Hilferuf oder gar ein manipulatives Geständnis? Die Familie findet Original-Dokumente, Gerichtsprotokolle und sogar ein Tonband, auf dem Jimmy mit Freddy Andrews – dem mutmaßlichen echten Täter – plaudert, ohne ihn je zu konfrontieren. Rechtsanwältin Louise Shorter und King’s Counsel Mark Harries bewerten den Fall juristisch neu: Der Tatbestand „felony murder“ sei damals möglicherweise falsch angewendet worden, wichtige Zeugenbeziehungen zum Gericht seien verschwiegen worden. Der Gutachter kommt zu dem Schluss: „This is not a hopeless case“ – es liege ein argumentierbarer Justizirrtum vor. Die Familie muss nun entscheiden, ob sie mit der 93-jährigen Mutter einen weiteren langen Berufungsprozess beginnt. ### 1. Die 1943er Aussage – authentisch oder erfunden? Die 1943er „Confession“ existiert in Jimmys eigener Handschrift, sei aber stilistisch ungewohnt („I swear before God“) und ohne Unterschrift. So stelle sich die Frage, ob Jimmy die Version diktiert, sie aus Verzweiflung erfunden oder ob jemand anderes sie verfasst habe. ### 2. Juristische Neubewertung: Kein „felony murder“? Mark Harries argumentiert, der Richter habe den Jury bewusst eingeredet, ein Einbruch sei automatisch ein „felony“ (ein schweres Gewaltverbrechen). Tatbestandsgemäß sei Einbruch aber nicht zwingend gewalttätig; die Anklage hätte daher auf einfachen Diebstahl lauten müssen – dann wäre Jimmy nicht wegen Mordes verantwortlich gewesen. ### 3. Informanten-Netzwerk der Polizei Material aus den späten 1960er Jahren zeige, dass zentrale Zeugen der Anklage als verurteilte Kriminelle und Polizei-Informanten fungierten. Ihre Gefängnisstrafen seien im Tausch gegen glaubwürdige Aussagen im Prozess reduziert worden – ein Umstand, der der Jury vorenthalten blieb. ### 4. Das Tonband mit Freddy Andrews Eine zufällig entdeckte Kassette zeigt Jimmy und Freddy Andrews, den mutmaßlichen Haupttäter, in entspannter Unterhaltung. Jimmy konfrontiert Freddy nicht mit der Tat; beide pflegen fast kameradschaftlichen Ton. Dieses Vertrauensverhältnis untergräbt die bisherige Familienerzählung, dass Jimmy und Freddy sich seit 1943 nicht mehr gesehen hätten. ### 5. Emotionaler Familienkonflikt Die Suche nach juristischer Wahrheit verschärft die persönliche Zerrissenheit: Jede neue Akte kann Jimmy entlasten oder belasten. Die Familie ringt damit, ob sie mit einer 93-jährigen Angehörigen weitere Jahre des Kosten-, Papier- und Hoffnungskriegs führen will. ## Einordnung Die BBC produziert hier kein klassisches True-Crime-Format, sondern eine sehr persönliche Familiensaga, die Fragen von Gerechtigkeit, Erinnerung und Selbsttäuschung aufwirft. Die Machart ist professionell: akribische Archivarbeit, dramaturgische Cliffhanger und emotionale Interviews. Gleichzeitig bleibt die Erzählung notwendig subjektiv – die Sprecher sind Betroffene, keine neutralen Reporter. Diese Perspektive erzeugt Nähe, schränkt aber die inhaltliche Distanz ein. Der Podcast wirft systemkritische Blicke auf historische Strafverfahren (Informantenwesen, uneinheitliche Gesetzesauslegung), ohne zu sehr in juristisches Fachchinesisch abzudriften. Rechte oder verschwörerische Inhalte sind nicht erkennbar; die Geschichte bleibt auf individuelle Justizkritik fokussiert. Wer mit offenem Ausgang und vielen offenen Fragen leben kann, findet hier einen spannenden, emotionalen Abschluss der Recherche – mit dem klaren Hinweis, dass Geschichte oft keine lineare Wahrheit liefert, sondern viele sich widersprechende Versionen, die alle ihre eigene Plausibilität beanspruchen.